Die Forscher Llloyd Shapley und Alvin Roth sind jetzt Wirtschaftsnobelpreisträger. Sie untersuchten komplizierte menschliche Aktionen.

Stadtentwicklung & Infrastruktur: Andreas Geldner (age)

Los Angeles - Das schwedische Auswahlkomitee für den Wirtschaftsnobelpreis hat in diesem Jahr zwei Amerikaner gekürt, welche unter anderem die komplizierten Interaktionen auf Märkten analysiert haben, die nicht nach dem Prinzip des gleichberechtigten oder für alle transparenten Austausches funktionieren. Der heute 89-jährige Mathematiker und Ökonom Lloyd Shapley, der zuletzt an der University of California in Los Angeles lehrte, hat dafür rechnerische Grundlagen entwickelt. Der 60-jährige Ökonom Alvin Roth, der im Gegensatz zu dem emeritierten Shapley noch an der Universität Harvard aktiv ist, hat die theoretischen Erkenntnisse in praktische Lösungen umgesetzt. Er freue sich auf eine gute Party in Stockholm, sagte Roth über den mit rund einer Million Euro dotierten Preis.

 

In den USA besonders bekannt wurde ein von Roth entwickeltes System für eine Austauschbörse, die dafür sorgte, dass für Transplantationen notwendige Spendernieren effizienter und gerechter an Krankenhäuser verteilt wurden. Hier gibt es das Problem, dass die Niere eines spendenwilligen Verwandten oder Ehepartners oft nicht mit dem Patienten kompatibel ist. Roth erfand vor zehn Jahren für den Nordosten der USA ein Austauschprozedere, das Menschen dazu motiviert, ihre Niere auch Fremden zur Verfügung zu stellen. Sie bekommen nämlich die Gewissheit, dass ein ihnen nahestehender Patient dank einer Organbörse in kürzester Zeit ebenfalls ein Organ erhalten wird. 2008 konnte so beispielsweise eine komplexe Spender- und Empfängerkette mit zwölf Teilnehmern organisiert werden.

Wirtschaftswissenschaften praxisnah ergründet

In der Begründung ihrer Preisverleihung würdigte das Preiskomitee die Tatsache, dass hier Wirtschaftswissenschaften nicht im Elfenbeinturm stattfanden, sondern praktische Konsequenzen außerhalb des engeren Bereiches der Ökonomie hatten: „Lloyd Shapley lieferte die frühen theoretischen Beiträge, die zwei Jahrzehnte später unerwarteterweise genutzt wurden, als Alvin Roth den Markt für amerikanische Ärzte untersuchte.“ Lloyd Shapley gelang es, das menschliche Verhalten in unterschiedlichen Marktsituationen in mathematische Formeln zu gießen. Die Grundfrage war dabei, wie Marktteilnehmer auf die jeweiligen unterschiedlichen Spielregeln und Abläufe reagieren. So ergründete er beispielsweise, warum Paarbeziehungen stabil sein können, auch wenn die jeweiligen Partner unterschiedliche Präferenzen haben und letztlich nie das perfekte Gegenüber finden können.

Er fand auch eine Lösung dafür, um zu kalkulieren, welcher Politiker in einem Parlament die meiste Macht hat, weil er bei für politische Koalitionen das Zünglein an der Waage ist. Sein Name taucht deshalb in zahlreichen, von Ökonomen benutzten Formeln auf, etwa dem sogenannten Shapley-Shubik-Index, der den Einfluss von Stimmenblöcken bei Abstimmungen berechnet und etwa nachweist, wann Großaktionäre de facto die Kontrolle über ein Unternehmen haben.

Menschliche Probleme im Blick

Der Praktiker Roth hat diese abstrakten mathematischen Erkenntnisse zur Lösung unterschiedlichster praktischer Probleme angewandt. Neben einer Zuteilungsmethode von Spenderorganen fand er beispielsweise ein System, mit dem die Verteilung von Schülern in den Schulsystemen von New York und Boston besser organisiert werden konnte. Er versuchte, das Problem zu lösen, wie Schüler, die sich für mehrere Schulen in der Rangfolge ihrer Präferenz bewerben konnten, sich nicht mit ihren Wünschen gegenseitig blockieren. Roth betont die exakten mathematischen Grundlagen seines Vorgehens, das nichts mit Verhaltenspsychologie zu tun habe, sondern einer genauen Analyse von Prozessen.

Die Entscheidung des Nobelkomitees passt zur Tendenz der vergangenen Jahre, vor allem Ökonomen zu berücksichtigen, die mit ihrer Arbeit allgemein menschliche Probleme im Blick hatten. Einer oft kritisierten Tradition bleibt die diesjährige Vergabe treu: Bisher sind 56 der 71 Preisträger der seit 1969 verliehenen Auszeichnung Amerikaner oder zumindest in den USA tätige Forscher.