Die Kontrolleure halten die Einsparziele der Bahn für riskant. Der Kostenrahmen werde aber eingehalten.

Stuttgart - Die drei Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, die von den Streitparteien für die Schlichtungsgespräche über das umstrittene Bahnprojekt Stuttgart 21 beauftragt wurden, haben die Kalkulation der Deutschen Bahn für den Tiefbahnhof und die Anschlussstrecken an die ICE-Trasse Wendlingen-Ulm differenziert bewertet. Nur in einem sind sich die Prüfer einig: Das Projekt sei knapp kalkuliert; dass es am Ende der zehnjährigen Bauzeit teurer wird, sei nicht auszuschließen.

Die Bahn veranschlagt 4,1 Milliarden Euro Bau- und Planungskosten für das Vorhaben. Diese Summe kam allerdings nur zustande, weil Bahnchef Rüdiger Grube Kosteneinsparmöglichkeiten etwa bei der Dicke der Tunnelwände, aber auch bei Rohstoffpreisen, Grundstückskäufen und Vergaben in Höhe von rund 900 Millionen Euro ausgemacht zu haben glaubte. Insbesondere die Plausibilität dieser abgeschätzten Einsparpotenziale wurde von Pricewaterhouse Coopers, Susat und Partner sowie der Märkischen Revision bei der Prüfung der Projektkosten unter die Lupe genommen. Das Fazit der Betrachtungen: ob die Einsparungen in der gewünschten Höhe realisiert werden, hängt nach Ansicht der Wirtschaftsprüfer "entscheidend von den anstehenden Vergaben sowie etwaigen Nachträgen ab".

Bei den Kosten für den Grundstückserwerb fällt das Urteil pessimistisch aus


Über die Wahrscheinlichkeit, dass die von Grube als politische Sollbruchstelle definierten Gesamtkosten von 4,5 Milliarden Euro (Baukosten plus Risikofonds in Höhe von 440 Millionen Euro) überschritten werden, gibt es allerdings unter den Wirtschaftsprüfern keine einheitliche Auffassung. So spricht die Märkische Revision von einem "signifikanten Risiko" bei der Frage, ob die Bahn im Rahmen der Vergabe von Bauaufträgen den von ihr angesetzten Sparbetrag von knapp 470 Millionen Euro erzielen kann.

Pricewaterhouse Coopers bewertet dagegen etwa im Bereich Rohstoffe, konkret beim Betonstahl für den Tunnelbau, den Preisansatz der Bahn als "sachgerecht". Aufgrund der Preisentwicklung über die letzten Jahre und aufgrund der Tatsache, "dass bei derartigen Großprojekten die Einkaufspreise der Auftragnehmer üblicherweise unterhalb des Marktpreises liegen", seien hier Einsparungen möglich. Bei den Kosten für den Grundstückserwerb dagegen fällt das Urteil pessimistischer aus. Die Bahn hat beim Grundstückskauf für das Projekt ein Einsparpotenzial von knapp 130 Millionen Euro ausgemacht. Dem Einsparpotenzial liege die Annahme zugrunde, dass die Grundstücke der DB AG unentgeltlich und von Seiten der Projektpartner Stadt und Land zum Preisstand 2004 übertragen würden - also ohne die Wertsteigerung der Flächen zu berücksichtigen. "Hierzu konnten uns weder Absichtserklärungen noch Zusagen, die diese Annahme stützen, vorgelegt werden", bilanziert Pricewaterhouse Coopers.

Auch der Dritte im Bunde, die Susat GmbH, geht davon aus, dass "infolge der dargestellten Einspar- und Optimierungspotenziale die angegebene Kostenschätzung von 4,088 Milliarden Euro höheren Risiken als Chancen ausgesetzt ist". Allerdings: konkrete Hinweise darauf, dass der in der Finanzierungsvereinbarung vom April 2009 angesetzte maximale Kostenrahmen von 4,5 Milliarden Euro deutlich überschritten werde, hätten sich nicht ergeben. Susat sieht zudem noch ungenutzte Sparreserven, etwa im Bereich der technischen Optimierung des Projekts.

Kretschmann erinnert an die Schuldenbremse


Zuvor hatte der Bahn-Technikvorstand Volker Kefer die Kostenberechnung der Bahn für Stuttgart 21 erläutert. Es gebe keinen Grund, an dem Zahlenwerk zu zweifeln, beteuerte Kefer. Das hohe Interesse der Bahn an der Realisierung des geplanten unterirdischen Durchgangsbahnhofs werde auch dadurch dokumentiert, dass der Konzern mit etwa 40 Prozent (1,7Milliarden Euro) den Löwenanteil an den Gesamtkosten trage. Der DB-Vorstand betonte, dass bereits fünf von sieben Planfeststellungsbeschlüssen zu Stuttgart 21 vorlägen, die rund 85 Prozent der Gesamtkosten umfassten. Noch nicht planfestgestellt sind der Untertürkheimer Abstellbahnhof und die Filderstrecke zwischen der Rohrer Kurve und dem Flughafen.

Für die Projektkritiker warnte der Grünen-Fraktionschef Winfried Kretschmann vor einem "finanziellen Desaster" durch Stuttgart 21. Er erinnerte an die Schuldenbremse in der Landesverfassung. Allein die von den Projektbefürwortern ins Gespräch gebrachten Verbesserungen der Planung bezifferte er auf 500 Millionen Euro zusätzlich; durch nicht realisierbare Einsparziele erhöhe sich dieser Betrag auf mindestens eine Milliarde. Der von den Stuttgart-21-Gegnern benannte Gutachter Martin Vieregg rechnet sogar mit Gesamtkosten von sieben Milliarden Euro bis zur geplanten Fertigstellung des Projekts 2019.