Hochfliegende Pläne hegten Stuttgart und Leinfelden-Echterdingen noch vor fünf Jahren. Doch außer Absichtserklärungen ist bisher nichts herausgekommen.

Stuttgart - Es galt als Leuchtturmprojekt der interkommunalen Zusammenarbeit: das gemeinsame Gewerbegebiet am Flughafen, das die Landeshauptstadt zusammen mit der Nachbarkommune Leinfelden-Echterdingen auf die Beine stellen wollte. Doch seit Monaten herrscht Funkstille zwischen den Partnern, die einstmals hochfliegenden Pläne ruhen in der Schublade. Dabei verfügt das rund 19 Hektar großen Areal östlich des Stadtteils Echterdingen laut einer Machbarkeitsstudie von 2010 über eine „in der Region einmalige Standortgunst“ – auch aufgrund der Nähe zur Autobahn, B 27, Messe und Flughafen. In acht bis zehn Jahren, so hieß es damals, könnten dort bis zu 12 000 neue hochwertige Arbeitsplätze entstehen.

 

Seit den ersten Ideen sind mittlerweile fünf Jahre ins Land gegangen, in denen wahrlich nicht alles glatt lief beim Versuch, die durch den Streit über die neue Messe auf den Fildern angespannte Situation zwischen den beiden Nachbarstädten zu entspannen und vom Konfrontations- auf Kooperationskurs zu gehen. Vor allem die Stuttgarter Pläne für einen Fernomnibusbahnhof am Flughafen, von dem die Politiker der Großen Kreisstadt aus der Zeitung erfahren mussten, trübte die sich gerade anbahnende neue Städtepartnerschaft erheblich. Weil man sich vom großen Nachbarn brüskiert fühlte, brach Leinfelden-Echterdingen die Gespräche über das interkommunale Gewerbegebiet im März 2010 erst einmal ab.

Erst im Januar 2011 konnten die beiden Rathauschefs Wolfgang Schuster und Roland Klenk in einem Gespräch die entstandenen Irritationen ausräumen; außer Absichtserklärungen, wonach beide Seiten am Ziel einer gemeinsamen Erschließung des Gebiets festhalten wollen, sprang aber nicht viel dabei heraus.

Im Rathaus heißt es, das Gewerbegebiet sei „praktisch tot“

Und auch in den kommenden Jahren ist wohl nicht mit einer Konkretisierung der Pläne zu rechnen. Zwar boomt die Wirtschaft in der Region Stuttgart trotz Finanzkrise, und viele Unternehmen sind auf der Suche nach Standorten mit einer solchen Infrastruktur. Doch derzeit herrscht Stillstand beim Thema Gewerbeansiedelung. Im Stuttgarter Rathaus heißt es hinter vorgehaltener Hand sogar, das interkommunale Gewerbegebiet sei „praktisch tot“.

Dieses Urteil würde die Stuttgarter Wirtschaftsförderin Ines Aufrecht zwar nicht unterschreiben, aber sie räumt ein: „Das Projekt hat eher eine mittelfristige Perspektive.“ In zwei bis drei Jahren, so hofft Aufrecht, könnte sich am Flughafen vielleicht etwas bewegen. Auf der Suche nach den Gründen für die Stagnation spielt Aufrecht den Ball an die Standortkommune weiter: „Da müssen Sie in Leinfelden-Echterdingen nachfragen.“

Der dortige Oberbürgermeister Roland Klenk hat denn auch eine plausible Erklärung parat: „Die Finanzkraft unserer Stadt erlaubt derzeit keinen Spatenstich.“ Im Klartext: die Erschließungskosten von rund 75 Millionen Euro für das Areal, die sich beide Partner teilen würden, sind für die Große Kreisstadt eine Nummer zu groß. Zum Vergleich: die gesamten Rücklagen von Leinfelden-Echterdingen belaufen sich im Jahr 2012 auf knapp 32 Millionen Euro. „Wir mussten im Haushalt andere Schwerpunkte beim Bau von Schulen und Kindergärten setzen“, so Klenk. Fürs laufende Jahr plant die Stadt Gesamtinvestitionen von 16 Millionen Euro – da bleibt kein finanzieller Spielraum.

Eigentumsstruktur auf den Fildern macht Probleme

Ganz abgesehen davon, dass es offenbar auch an ernsthaften Interessenten für eine Ansiedelung mangelt, bereitet vor allem die kleinteilige Eigentumsstruktur der Flächen erhebliche Probleme. Rund 250 Grundstücksbesitzer, darunter viele Landwirte, besitzen dort Parzellen, eine der größten zusammenhängenden Flächen gehört dem Flughafen. Das erschwert potenzielle Verhandlungen über einen Verkauf der Flächen, zumal der in der Machbarkeitsstudie genannte Quadratmeterpreis von 30 Euro für manchen Eigentümer offenbar nicht sonderlich attraktiv erscheint. Und anders als im Fall der Landesmesse ist eine Enteignung der Grundstücksbesitzer für ein Gewerbegebiet nicht möglich. Der dafür zugrunde gelegte Nutzen für die Allgemeinheit lässt sich diesmal, anders als bei großen Infrastrukturvorhaben, nicht konstruieren.

Dass der Flughafen auch ohne interkommunales Gewerbegebiet ein attraktiver Standort ist, lässt sich zum Beispiel am bis 2015 abgeschlossenen Umzug der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young von Weilimdorf auf die Filder ablesen. Das sieht auch Klenk so und fragt sich, „ob es klug wäre, jetzt dem Flughafen mit aller Gewalt in unmittelbarer Nachbarschaft Konkurrenz zu machen“. Klenks Motto: Lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach, denn die fälligen Gewerbesteuereinnahmen von Ernst & Young kassiert künftig seine Kommune allein.

OB Klenk will das Gebiet Schritt für Schritt erschließen

Für die Zukunft freilich sieht der OB dennoch Perspektiven für die interkommunale Zusammenarbeit: Wichtig sei, dass das Gewerbegebiet erst einmal im Regionalplan abgesichert sei. Zu gegebener Zeit könne man so vielleicht mit einer Teilerschließung beginnen. Die Marschrichtung: „Im Norden beginnen und sich langsam nach Süden vorarbeiten.“

Im Stuttgarter Gemeinderat steht das Thema derzeit ebenfalls nicht sehr weit oben auf der Hitliste wichtiger Projekte – auch wenn eine Mehrheit aus CDU, SPD, FDP und Freien Wählern froh wäre, den Standortwettbewerb mit Leinfelden-Echterdingen durch ein gemeinsames Gewerbegebiet zu entschärfen, bei dem sich die Partner auch die Gewerbesteuereinnahmen teilen würden. Grüne und die Fraktionsgemeinschaft SÖS/Linke lehnen das Vorhaben dagegen ab. Der Grünen-Fraktionschef Peter Pätzold sagt: „Mit uns kann man frühestens darüber reden, wenn die Infrastruktur, etwa der Stadtbahnanschluss zur Messe, steht.“ Im Übrigen gebe es in Stuttgart noch genügend Erschließungsmöglichkeiten für Gewerbeflächen, etwa in Weilimdorf und in Möhringen.