Hans Peter Stihl (DIHK), Dieter Hundt (BDA) und Hans-Olaf Henkel (BDI) waren Unternehmer aus Baden-Württemberg, die als Vertreter der deutschen Wirtschaft gewichtige Positionen hatten – diese Zeiten sind vorbei.

Berlin - Die Chefs der großen Wirtschaftsverbände sind immer auch ein Aushängeschild für die Branchen und Regionen, aus denen sie stammen. Wie wichtig dies ist, hat Kanzlerin Angela Merkel gerade hervorgehoben. Jüngst, beim Abschied des Arbeitgeberpräsidenten Dieter Hundt, gab Merkel einen Einblick: „Als es den Automobilzulieferern einmal nicht so gut ging, wussten wir, dass wir noch strengere Bemerkungen von Herrn Hundt zu erwarten hatten“, sagte die deutsche Regierungschefin. „Dadurch haben wir uns wenigstens für die Zulieferindustrie interessiert“, fügte Merkel lakonisch an.

 

Die Begebenheit zeigt, dass Tätigkeit und Herkunft der Verbandschefs die Amtsführung prägen. Das zeigt sich am Beispiel Hundt: Dass die Politik nach der Finanzkrise 2008 in kurzer Zeit die Kurzarbeiterregelung ausweitete, hing auch mit Hundts Erfahrungen im eigenen Betrieb zusammen. Den Einbruch in der gesamten Automobilindustrie erlebte er aus nächster Nähe. Übertragen lässt sich diese Beobachtung auch auf den heutigen Chef des Industrieverbands BDI, Ulrich Grillo. Neben dem Ehrenamt beim BDI ist Grillo Vorstandsvorsitzender des gleichnamigen nordrhein-westfälischen Metallunternehmens. Für Grillo hängt von der Energiewende viel ab. Darauf konzentriert er sich auch als BDI-Chef.

Immer auch Botschafter ihrer Region

Die Präsidenten in den mächtigen Wirtschaftsverbänden sind immer auch Botschafter ihrer Branche und Region. Früher war es für die selbstbewussten Chefs aus Industrie und Mittelstand in Baden-Württemberg selbstverständlich, dass Unternehmer und Manager aus ihren Reihen an der Spitze der Verbände stehen. Nach Hundts Abtritt gilt diese Regel nicht mehr: Der Südwesten findet sich an der Spitze der großen Wirtschaftsverbände kaum wieder. Der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, Eric Schweitzer, leitet das Entsorgungsunternehmen Alba in Berlin. Schweitzer bringt als früherer IHK-Präsident die Erfahrungen der Berliner Landespolitik mit. Alba ist auch im Land aktiv, Schweitzer kennt sich hier aus. Der neue Chef der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) ist der Bremerhavener Unternehmer Ingo Kramer. Auch er sammelte Verbandserfahrung als örtlicher Kammerpräsident von Bremerhaven. Beim BDI baut Grillo auf seinen Kontakten aus Nordrhein-Westfalen auf. Wo bleibt da Baden-Württemberg?

Die Zeiten, als an der Spitze von drei Verbänden bekannte Größen aus Baden-Württemberg standen, sind vorbei. In den neunziger Jahren sprachen Dieter Hundt (BDA), Hans Peter Stihl (DIHK) und Hans-Olaf Henkel (BDI) für die deutsche Wirtschaft. Der Scharfmacher Henkel stiftete zwar wegen seiner Kritik an Flächentarifverträgen Unfrieden im eigenen Lager, aber so unterschiedlich die drei Präsidenten auch waren, der Südwesten fühlte sich bestens vertreten. Später stand Michael Rogowski, einst Voith-Chef aus Heidenheim, an der BDI-Spitze. Mittlerweile finden sich die Baden-Württemberger kaum noch auf den vorderen Plätzen.

Darüber können Ausnahmen nicht hinwegtäuschen. Der Heidelberger Unternehmer Rainer Dulger gestaltet als Chef von Gesamtmetall die Tarifpolitik in der Metall- und Elektroindustrie. Ihm trauen viele zu, in einigen Jahren eine größere Rolle in Berlin zu spielen.

Dass in großen Organisationen mehrere mitgliedsstarke Regionen Anspruch auf den Chefsessel erheben, ist normal. Dazu passt, dass der Schwabe Berthold Huber sich als Vorsitzender der IG-Metall verabschiedete. Gemessen an der Wirtschaftsstärke Baden-Württembergs ist das Land insgesamt in der Hauptstadt jedoch schwach vertreten. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass in den Branchenverbänden bekannte Gesichter aus dem Land mitmischen: Dazu zählt der Ludwigsburger Matthias Wissmann, Präsident des Verbands der Automobilindustrie.

Zumindest gibt es Anläufe, die Präsenz zu erhöhen. Im Dezember entscheidet der Zentralverband des Deutschen Handwerks über die Nachfolge von Präsident Otto Kentzler. Der Stuttgarter Kammerpräsident Rainer Reichhold hat seinen Hut in den Ring geworfen. Er tritt gegen zwei Kandidaten aus Nordrhein-Westfalen und Bayern an. Seine Chancen sind ungewiss. In den letzten Jahrzehnten kamen die Handwerkspräsidenten aus NRW und Bayern.