Das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) hält die Wachstumsprognosen in China für besser als viele Kritiker der chinesischen Zahlen. Für die Unternehmen aus Baden-Württemberg ist das eine gute Nachricht. Doch es gibt auch weit weniger positives aus dem Reich der Mitte.

Politik/ Baden-Württemberg: Christian Gottschalk (cgo)

Stuttgart - Wenn Chinas Wirtschaft wächst, dann lässt das auch Unternehmerherzen im Land höher schlagen. Satte 25 Milliarden Euro beträgt das Handelsvolumen 2016, das Land der Mitte war da der fünftwichtigste Handelspartner. Die Abstände sind knapp, die Positionen wechseln ständig. In den ersten vier Monaten des Jahres 2017 hat sich China schon auf Rang vier vorgeschoben.

 

Und China wächst. Um 6,7 Prozent im vergangenen Jahr, 6,5 Prozent sind in diesem geplant. „Zu stabil um wahr zu sein?“ – unter dieser provokanten Frage hat Baden-Württembergs Wirtschaftsministerin Nicole Hofmeister-Kraut eine Expertengruppe auf die Bühne gebeten, und zahlreiche Mittelständler aus dem Land eingeladen. Die waren in großer Zahl gefolgt. Nicht alles, was sie im Haus der Wirtschaft zu hören bekamen mag beruhigend gewesen sein – überraschend war einiges.

Kein Land meldet so viele Patente an

Zum Beispiel die Erkenntnis von Achim Wambach. Der Präsident des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim hat sich die chinesischen Zahlen über einen längeren Zeitraum sehr genau angesehen. Für die immer wieder geäußerte Vermutung, dass Peking die Wachstumszahlen schöne, hat sein Institut keinen Beleg gefunden. Zwar seien die erhobenen Daten oft schlecht, würden aber besser. Und: „Es gibt keine Anzeichen für staatliche Manipulationen“.

Hinlänglich bekannt ist, dass China seit dem Jahr 2011 die Führerschaft bei den weltweiten Patentanmeldungen übernommen hat. Weit weniger bekannt ist ein positiver Nebeneffekt davon, den Bettina Schön-Behanzin beobachtet. „Der Patentschutz hat sich wesentlich verbessert“, sagt die Präsidentin der deutschen Außenhandelskammer in Schanghai. Vor allem in den großen Städten seien die Verfahren professionell und die Gerichte inzwischen bestens geschult. Patentverletzungen, vor Jahren noch ein Dauerärgernis, seien deutlich zurückgegangen, seitdem chinesische Firmen selbst den Wert eines solchen Schutzes erkannt haben.

Offenlegungspflicht wird zum Problem

Die Schwierigkeiten liegen heute jedoch an anderen Stellen. Inländische Unternehmen werden bei Auftragsvergaben bevorzugt, die Rechtssicherheit gehe in vielen Berichten zurück, sagt Volker Treier, der Außenwirtschaftschef des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK). Zudem werde die von China geforderte Offenlegungspflicht ausländischer Unternehmen immer gefährlicher. Vor allem bei High-Tech Produkten seien chinesische Firmen inzwischen so gut, dass sie mit den Betriebsgeheimnissen etwas anfangen könnten. „Die Pflicht zur Offenlegung kann uns jetzt auf die Füße fallen“, sagt Treier, und fordert ein Eingreifen der Politik.

Das wiederum sieht Thomas Hueck eher kritisch. „Wer einlädt der muss auch bewirten“, sagt der Chefvolkswirt von Bosch. Er fragt sich, ob nicht das gesamte System des Welthandels auf dem Prüfstand stehe. Das sei nach dem 2. Weltkrieg mit angelsächsischem Hintergrund entstanden, noch nie habe sich ein Land von der Größe Chinas eingeordnet. „Das Regelwerk wird sich ändern“, ist Hueck sicher. So wie sich die chinesischen Fähigkeiten ändern und geändert haben. Zwar hinke China beim Verbrennungsmotor hinterher, aber „in der Telekommunikationstechnik hat China Weltniveau“, sagt der Chefvolkswirt.

Darin, dass man an China nicht vorbeikommt, waren sich die Experten denn auch schnell einig. Nicole Hofmeister-Kraut bringt es auf den Punkt: „Es gibt zu China keine Alternative“.