Trauerspiel Wochenmarkt? Immer weniger Stände bieten immer weniger Auswahl auf dem Waiblinger Marktplatz. Im Gemeinderat ist jetzt der Ruf nach einem Marktmanager laut geworden, der sich intensiv um die Akquise neuer Stände und die Organisation insgesamt kümmern soll.

Waiblingen - Auf dem Waiblinger Wochenmarkt fühlt sich Karl-Heinz Medinger aus Stetten inzwischen fast wie ein Exot. Seit knapp vier Jahrzehnten hält er hier die Stellung, bietet im Frühsommer Erdbeeren und Kirschen feil, später im Jahr grüne Bohnen, Trauben aus dem Wengert, Kartoffeln, Zwiebeln und Äpfel. „Ich verkaufe nur eigene Ware, da bin ich eine Ausnahme“, sagt Medinger. Und: „Ich muss selbst hier stehen, sonst lohnt sich das für mich nicht.“ Er klagt: „Ich zahle für meine paar Meter 750 Euro im Jahr, und die Stadt tut gar nichts, damit es besser wird.“ Gerade jetzt in der Adventszeit, in welcher der Wochenmarkt für einige Wochen den Standort wechseln muss, um für die Buden des Weihnachtsmarkts Platz zu machen, habe er immer große Umsatzeinbußen.

 

Viel Ware vom Großmarkt

Selbsterzeuger wie Karl-Heinz Medinger sieht der Kunde Günther Kothe aus Korb gerne. Insgesamt aber ist er mit dem Wochenmarkt nicht zufrieden. „Es fehlt die Vielfalt und das Persönliche. Es gibt hier ja kaum noch kleine Marktstände, sondern nur ein paar große Platzhirsche, die diktieren“, kritisiert der Kleinheppacher. Und: „Die meisten sind gar keine Erzeuger, sondern verkaufen Ware vom Großmarkt.“ Sein Wunsch an die Verwaltung: „Die Leute da oben müssen sich kümmern und die Kleinen unterstützen.“

Eine ähnliche Forderung haben jüngst zwei Gemeinderatsfraktionen in ihren Haushaltsreden gestellt. So sagte Iris Förster im Namen der Alternativen Liste (Ali): „Der Markt ist heute schlechter aufgestellt denn je, immer weniger Händler bieten immer weniger Auswahl an. Die Stadt muss aktiv werden und für ein attraktives Angebot sorgen.“ Speziell der Mittwochsmarkt sei „ein Trauerspiel“. Die Fraktion Demokratische Freie Bürger (DFB) hat sogar beantragt, eine 50-Prozent-Stelle für das Marktmanagement zu schaffen. Denn, so argumentierte der DFB-Fraktionsvorsitzende Wilfried Jasper: „Erfolgreiche Märkte werden nicht verwaltet, sondern gestaltet.“ Daher brauche es ein Marktmanagement, das sich „um die Ansprache und Auswahl von Beschickern, die Organisation und die Ausgestaltung der Märkte kümmert“.

Weniger Bewerber für Stände

Dass in Sachen Waiblinger Wochenmarkt so manches im Argen liegt, gibt Oliver Conradt von der Abteilung Ordnungswesen unumwunden zu: „Früher sind regelmäßig Bewerbungen von Händlern eingegangen – das hat nachgelassen.“ Sicherlich gebe es unterschiedliche Faktoren für die schwindende Zahl an Marktbeschickern: „Der Wettbewerb ist härter geworden, auch weil die Leute viele andere Möglichkeiten zum Einkaufen haben.“ Wenn Beschicker altershalber aufhörten, finde sich oft kein Nachfolger, denn der Anfang sei schwer: „Man müsste diese Neuen eventuell unterstützen, damit sie dran bleiben.“ Mit den Standgebühren verdiene die Stadt nichts, antwortet Conradt auf die Frage, ob niedrigere Preise ein Weg zu mehr Ständen sein könnten.

Dass die Stadt Beschicker unterstützt – durch Werbung und indem sie Aktionen anregt, beispielsweise mit den Geschäftsleuten ringsum, hält Oliver Conradt für sinnvoll. Auch die Akquise von Standbetreibern sei nötig, aber es fehle im Ordnungsamt an Personal: „Der Markt ist nur eine Aufgabe von vielen.“

„Selbsterzeuger sind den Kunden wichtig“

In Esslingen gibt es das, was sich manch einer für Waiblingen wünscht, seit geraumer Zeit: eine Marktmeisterin, die vieles organisiert. Mariana Petropoulos kümmert sich seit 18 Jahren um den Wochenmarkt und sie kann sich noch daran erinnern, mindestens zwei Vorgänger gehabt zu haben. Der Marktplatz sei derzeit mit rund 50 Ständen gut belegt, sagt sie, die 75 Prozent ihrer Vollzeitstelle beim Ordnungsamt für die Organisation und Konzeption des Marktes aufwendet.

„Wir schreiben freie Stellen aus und haben keinerlei Probleme, Marktbeschicker zu finden“, sagt Petropoulos, die in Rücksprache mit der Ordnungsamtsleitung und dem Marktvereinsvorsitzenden entscheidet, wer den Zuschlag bekommt. Im Marktverein seien nahezu alle Beschicker Mitglied. „Wir arbeiten eng zusammen“, sagt Petropoulos. Geachtet werde auf einen attraktiven Angebotsmix. Dazu gehörten neben Gemüse- und Obstständen auch Spezialitäten wie ein Biometzger oder Stände, die Pilze oder Ziegenkäse anbieten. „Wenn nur Händler auf dem Markt sind, ist er nicht so attraktiv. Ware vom Großmarkt bekommt man auch im Supermarkt. Selbsterzeuger sind den Kunden wichtig“, ist die Erfahrung der Marktmeisterin. Werbung müsse sein, um neue Stände zu unterstützen. Aufmerksamkeit brächten auch gemeinsame Aktionen der Standbetreiber und das Angebot, dass Schulen und Kindergärten einmal jährlich Kuchen zu günstigen Preisen verkaufen: „Das ist attraktiv für Besucher.“

So mancher Markt dümpelt vor sich hin

Wieso diese manchmal trotz aller Bemühungen ausbleiben, fragt sich Lillia Judt von der Märkte Stuttgart GmbH auch manchmal. Die Gesellschaft betreut insgesamt 29 Wochenmärkte in der Landeshauptstadt. Während der große Wochenmarkt in der Stadtmitte ein Selbstläufer ist, gestaltet sich die Situation in den Stadtbezirken ganz unterschiedlich. Der recht junge Markt auf dem Marienplatz laufe super, sagt Lillia Judt: „Aber der in Rot dümpelt mit zwei Ständen vor sich hin.“ Der Markt in Dachswald sei mangels Kundschaft sogar wieder eingestellt worden. „Man versteht manchmal nicht, woran es liegt. Da sind Gemeinde- oder Bezirksrat überzeugt, dass es einen Markt im Stadtbezirk braucht, aber der läuft dann einfach nicht.“

Ob Waiblingen in Zukunft einen Marktmanager bekommt, entscheidet der Gemeinderat voraussichtlich in seiner Haushaltsdebatte am 14. Dezember.