Ein saumseliger Beamter gründete eine Dynastie, statt einen Mörder zu finden.

Böblingen : Ulrich Stolte (uls)

Deizisau - Nein, nicht jeder alteingesessene Deizisauer heißt mit Nachnamen Taxis. Es gibt auch die Huttenlochers und natürlich auch den größten Sohn der Gemeinde: Gotthilf Fischer.

 

Warum sich so viele Taxis’ ihrer beschaulichen Existenz in der blühenden Kommune erfreuen, das hat der Krefelder Historiker Dieter Huttenlocher herausgefunden, dessen Nachname ihn auch als profunden Deizisauer ausweist. Allerdings hat ihn sein Lehrerberuf an den Niederrhein verschlagen. Nach dem Studium der Kirchenbücher, der einzigen Quellen der Genealogie in alter Zeit, fand Dieter Huttenlocher den Ahnherrn der Deizisauer Taxis’ – des Familiennamens wohlgemerkt, um keine Missverständnisse aufgekommen zu lassen – einen Karl von Taxis, Postmeister zu Deizisau, welcher daselbst anno Domini 1628 starb und einem „uralten Geschlecht“ zugehörig war.

Damit können sich nun alle Deizisauer Taxis mit Fug und Recht „von Taxis“ nennen, und sich wenn auch als entfernte Verwandte der berühmten Fürstin Gloria von Thurn und Taxis fühlen, deren Schlagfertigkeit bis in die hintersten Winkel von Afrika bekannt ist.

Der Familie von Taxis, sie müsste heute übrigens korrekt Dachsis heißen, übertrug Kaiser Maximilian den Auftrag, eine Postlinie von Antwerpen bis Venedig einzurichten. Die Familie stammte aus Italien und versah schon Kurierdienste für den Papst. Ihr ursprünglicher italienischer Name war Tasso, zu deutsch „Dachs“. Daraus wurde in einer eigentümlich latinisierenden Schreibweise eben Taxis.

Von 1650 an hießen die Kaiserlichen Postmeister dann Thurn und Taxis. Doch die Postlinie war gefährdet: Um 1560 kamen Postüberfälle in Mode und Posträuber auf den Plan, die besonders in Württemberg ihr Unwesen trieben. Nun sollte der damalige Hofpostmeister Christoph von Taxis die Verbrecher zur Strecke bringen. Er reiste von Prag nach Esslingen und nahm unverzüglich seine Nachforschungen auf. In dem 20-seitigen Bericht, der heute noch erhalten ist, schreibt Taxis ganz fachmännisch: „Des Dorfs und des Täters Namen weiß ich nicht, denn ich habe nach denselbigen nicht gefragt, weil es in meiner Instruktion nicht begriffen ist“.

Von der anstrengenden Tätigkeit des Befolgens von Instruktionen erholte sich der wackere Hofpostmeister nicht nur in Esslingen, sondern auch in Deizisau. Wo er den Annalen nach besonders zuvorkommend aufgenommen wurde. Der kleine Karl, welcher neun Monate später das Licht der Welt erblickte, wurde von der Familie des Deizisauer Postmeisters aufgezogen. Er hat aber den Namen seines adligen Vaters behalten, nannte sich Karl von Taxis, übernahm auch die Postmeisterei und zeugte fleißig Nachkommen.

Im Dreißigjährigen Krieg verlor Taxis sein Hab und Gut. Im Jahr 1628 starb er und musste nicht mehr mitansehen, was ihn als Deizisauer besonders geschmerzt haben dürfte: dass die Postlinie künftig über Plochingen am anderen Neckarufer lief. Denn wenig später wurde die Neckarbrücke im Krieg verbrannt.