Drei Gebäude werden abgerissen. Die Mieter müssen umziehen.

Stuttgart-Botnang - An der Beethovenstraße rollen die Bagger an, und etwa 75 Botnanger verlieren ihr Zuhause. „Wir haben davon in einem formlosen Brief erfahren, der uns Anfang Februar zugeschickt wurde. Seitdem herrschen bei uns teilweise Existenzängste“, sagte ein betroffener Mieter in der jüngsten Bezirksbeiratssitzung.

 

Am Dienstag vergangener Woche beschäftigten sich auch die Kommunalpolitiker mit den Plänen des Bau- und Wohnungsvereins Stuttgart (BWV), der die drei Gebäude an der Beethovenstraße 60 bis 70 abreißen lassen möchte. Der Vorstandsvorsitzende Thomas Wolf weiß um die Brisanz des Vorhabens und wollte daher so schnell wie möglich in öffentlicher Sitzung sein Konzept vorstellen.

„Wir haben noch sehr viel Zeit. Bis der Abriss erfolgt, vergehen sicher zwei bis drei Jahre, vielleicht sogar vier“, sagte Wolf. „Wir werden für alle Mieter eine individuelle Lösung suchen. Aber für alle werden wir wohl in Botnang keinen Ersatz finden. So ehrlich muss man sein.“ Der BWV habe nur rund 250 Wohnungen in Botnang – darunter auch 48 Sozialwohnungen in der Kullenbergstraße. Aber in Feuerbach, Bad Cannstatt, Heslach oder Ostheim könnte der Verein auf jeden Fall adäquaten Wohnraum zur Verfügung stellen. Es werde aber noch Mieterversammlungen geben, wo alle weiteren Details besprochen werden können, versprach Thomas Wolf.

Die Häuser stammen aus dem Jahr 1927

An einem Abriss der Gebäude führe aber wohl kein Weg vorbei. Alle drei Häuser stammen aus dem Jahr 1927. „Die Gebäude haben vielleicht noch eine Restdauer von zehn bis 15 Jahren“, sagte Wolf. Es müsse sich unbedingt etwas tun. Architekt Steffen Keck von den Freien Architekten Keck und Lorch erklärte, warum: Allein in 42 der 48 Wohnungen sei noch das originale Bad vorhanden – 1,60 Meter breit mit Badewanne, WC und Waschtisch. An Fassaden, Dach und Decke sei keine Wärmedämmung vorhanden. Knarrende Holzböden wären beim Thema Schallschutz problematisch. „Auch an den Holzfenstern hat der Zahn der Zeit genagt“, sagte Keck. Die Gebäude seien nicht barrierefrei zugänglich. Es gebe keine Balkone. Und auch die Grundrisse der Wohnungen seien nicht mehr zeitgemäß: Alle Zimmer seien zur Straße hin orientiert und mit maximal 18 Quadratmetern viel zu klein.

Deshalb mache nur ein Neubau Sinn. „Eine Sanierung in bewohntem Zustand ist auf gar keinen Fall möglich“, sagte Keck. Doch selbst bei einem leeren Gebäude könnten die grundsätzlichen Probleme nicht gelöst werden. Hinzu käme, dass eine Sanierung wohl teurer wäre als ein Neubau, sagte Thomas Wolf: „Wir haben zwar noch keine Kostenschätzung, aber Erfahrungswerte von der Sanierung der Beethovenstraße 25 bis 33. Und die war um zehn Prozent teurer als ein Neubau.“ Drei neue Baukörper an gleicher Stelle könnten somit die Probleme lösen: größere Wohnungen, Aufzüge, eine Tiefgarage und das alles auch barrierefrei zugänglich.

Mit dem Konzept des BWV konnten sich auch die Bezirksbeiräte anfreunden, allerdings hatten sie Sorge um die heutigen Mieter. „Die Menschen haben später zwar eine schöne neue Wohnung, aber können sie die dann auch bezahlen“, fragte Marianne Latuske (SPD). Thomas Wolf geht davon aus, dass der aktuelle Mietpreis bei durchschnittlich 5,50 Euro pro Quadratmeter liegt. Im Neubau werde der Preis wohl knapp unter 10 Euro liegen, schätzt er. „Aber jeder, der nach der Fertigstellung der Neubauten wieder zurück will, darf das auch und bekommt zehn Prozent Mietnachlass.“ Dennoch: knapp 400 Euro wird eine Wohnung in den neuen Gebäuden an der Beethovenstraße dann mehr kosten, als es jetzt der Fall ist. „Das trifft uns hart“, sagte ein Mieter. Ein anderer machte in der Sitzung aber schon klar, nach der rund ein- bis eineinhalbjährigen Bau- beziehungsweise Übergangszeit unbedingt wieder zurückkehren zu wollen. „Egal wie sich die Mieter entscheiden, wir werden uns frühzeitig um jeden kümmern“, versprach der Kaufmännische Bereichsleiter des BWV, Jürgen Oelschläger , auf Nachfrage.