Für eine Wohnung der Stuttgarter Wohnungs- und Städtebaugesellschaft muss man tief in die Tasche greifen. Woanders wohnt man billiger.

Stuttgart - Der Mieterverein übt scharfe Kritik an der Mietpolitik der Stuttgarter Wohnungs- und Städtebaugesellschaft (SWSG). "Bei uns häufen sich Klagen von Wohnungsbewerbern, dass die neu ausgeschriebenen Wohnungen der SWSG für Familien unbezahlbar seien", sagt der Mietervereinsvorsitzende Rolf Gaßmann. Dies konterkariere das Ziel des städtischen Tochterunternehmens, kinder- und familienfreundliches Wohnen anzubieten. "Lag die SWSG bei ihren Wohnungsangeboten früher in der Regel unterhalb des Mietspiegels, so nutzt sie inzwischen die rechtlichen Möglichkeiten bei Neuvermietungen voll aus", kritisiert der Mieterverein.

 

So koste eine familiengerechte große Neubauwohnung in der Karlshofstraße in Steckfeld bereits elf Euro kalt für den Quadratmeter. Das ist der höchste Wert im aktuellen Mietspiegel für Neubauten mit sehr guter Ausstattung und einer Lage mit Vorteilen. "Das ist für einen Normalverdiener unbezahlbar", kritisiert Gaßmann. Hinzu komme, dass die SWSG zur Vermietung neuerdings Makler einschalte, so dass Mieter zudem Vermittlungsprovisionen bezahlen müssten. Der Mieterverein hat die jüngsten Beschwerden zum Anlass genommen, das aktuelle Wohnungsangebot der SWSG genauer unter die Lupe zu nehmen. Ergebnis der Ende Juli gemachten Stichprobe im Internet: "Von insgesamt 25 Mietwohnungsangeboten lagen 14 über dem Mittelwert des Mietspiegels, sechs beim Mittelwert und nur fünf leicht unterhalb des Mietspiegelwertes."

SWSG vermietet rund 18.000 Wohnungen

Die am Stichtag ermittelten Durchschnittsmieten bei Neuvermietungen beziffert der Mieterverein auf 8,42 Euro pro Quadratmeter. Dies seien 38 Prozent mehr als die Durchschnittsmiete der SWSG, die laut deren Geschäftsbericht 2010 bei 6,09 Euro je Quadratmeter liege.

Die SWSG ist mit einem Wohnungsbestand von rund 18.000 Wohnungen der größte Vermieter in Stuttgart. Zum Bestand gehören sowohl preisgebundene Sozialwohnungen als auch frei vermietete Objekte. "Die städtische Wohnungsgesellschaft muss auch bei ihren nicht preisgebundenen Wohnungen für breite Schichten bezahlbare Mietpreise verlangen", fordert Rolf Gaßmann und verweist auf moderatere Mietpreise bei anderen Stuttgarter Wohnungsgesellschaften. So vermiete der Bau- und Wohnungsverein, der auch zu den größten Vermietern in der Stadt zählt, sanierte Objekte für einen Quadratmeterpreis von 8,50 Euro und ohne Maklergebühr. Die GWG verlange für Neubauwohnungen in Berg 8,60 Euro je Quadratmeter, ebenso provisionsfrei. "Erstvermietungsmieten von elf Euro sind dem Mieterverein bei Genossenschaften bisher nicht vorgekommen", stellt Gaßmann fest und wirft der SWSG vor, ihre Kapitalrendite auf Kosten der Mieter zu steigern. Er appelliert an die Stadträte im SWSG-Aufsichtsrat, dafür Sorge zu tragen, dass das städtische Wohnungsunternehmen nicht seine familienfreundliche Zielsetzung verliere.

Seitenlange Stellungnahme

Die SWSG holt zu ihrer Verteidigung weit aus und antwortet, mit den Vorwürfen konfrontiert, mit einer seitenlangen Stellungnahme. Das Unternehmen verweist auf die steigenden Kosten bei der Modernisierung des Wohnungsbestandes und die sich daraus zunehmend ergebenden wirtschaftlichen Zwänge. "Dennoch unternehmen wir große Anstrengungen, dass wir unsere Mietwohnungen auch nach der Modernisierung auf Mietspiegelniveau vermieten können. Insbesondere bei Neubauten sind wir jedoch manchmal gezwungen, darüber hinauszugehen, um eine Mindestwirtschaftlichkeit herzustellen", heißt es in der Stellungnahme. Gleichzeitig reklamiert die SWSG für sich, mit Mietspiegelmieten bei Neubauten sogar zur Preisdämpfung beizutragen, weil viele Neuvermietungen auf dem freien Markt deutlich oberhalb der Mietspiegelwerte vorgenommen würden.

Im konkret vom Mieterverein kritisierten Fall in Steckfeld handelt es sich laut SWSG um ein Penthouse. Dieses werde bewusst teurer angeboten, um im Gegenzug die größeren Familienwohnungen in dem Objekt preiswerter anbieten zu können, und zwar für neun Euro je Quadratmeter.

Was den Einsatz von Maklern angeht, stößt der Mieterverein mit seiner Kritik offene Türen ein. "Die auf Arbeitsebene getroffene Entscheidung zur Einschaltung eines Maklers in Steckfeld entspricht nicht der Firmenpolitik. Wir haben diese Zusammenarbeit bereits beendet und untersuchen derzeit den Hintergrund für die abweichende Entscheidung", stellt die SWSG klar. Der Einsatz von Maklern sei die Ausnahme und beschränke sich auf schwer zu vermarktende Objekte. Auch sei man bemüht, dass dem Mieter dadurch keine oder nur geringe Kosten entstünden.