Auf der Suche nach Wegen zu preiswertem Wohnraum treten alle großen Städte derzeit auf der Stelle. In Stuttgart wurde jetzt ein Bündnis für Wohnen ins Leben gerufen.

Stuttgart - Die Woche begann vielversprechend. Stuttgarts Oberbürgermeister Fritz Kuhn hatte Vertreter der Wohnungswirtschaft und der Interessenvertretungen von Vermietern und Mietern ins Rathaus eingeladen, um darüber zu diskutieren, wie die Landeshauptstadt es in den nächsten Jahren schaffen könnte, die angepeilten 1800 neuen Wohnungen jährlich - davon rund ein Drittel im sozial geförderten Wohnungsbau - in der Landeshauptstadt zu realisieren. Anfang des neuen Jahres soll dieses 'Bündnis für Wohnen' Gestalt annehmen. 'Wir haben ein Luxusproblem', glaubt indes der Stuttgarter Immobilienmakler Erich Hildenbrandt.

 

'Heute bekommen schon Kleinkinder getrennte Kinderzimmer. Darüber wird gar nicht mehr diskutiert', ist seine Erfahrung. In den zurückliegenden 15 Jahren sei der Flächenbedarf pro Person und Wohnung um fast zehn Quadratmeter gestiegen. Das sei natürlich nicht nur eine Folge von getrennten Kinderzimmern, relativiert Stephan Kippes vom IVD-nahen Marktforschungsinstitut anlässlich der Vorstellung des Cityreports Stuttgart. Es sei vielmehr eine ganze Kette von Ursachen, die dazu geführt hätten, dass der Flächenverbrauch pro Person und Wohnung immer größer würde. So gelte es statistisch als erwiesen, dass mit abnehmender Personenzahl der Haushalte die Wohnfläche steige. 'Gerade Singles leisten sich oft den Luxus einer großzügigen Wohnung', weiß Kippes. Allein in Stuttgart betrage der Singleanteil über 50 Prozent. Das seien aber nicht nur die Gutverdiener.

Die Preisspirale dreht sich seit Jahren nach oben

Immer öfter leben auch ältere Menschen in viel zu großen Wohnungen, weil sie sich eine kleinere Neubauwohnung oft nicht leisten könnten. Auch die Veränderungen von Arbeitsweisen zum Beispiel durch Homeoffices würden den Flächenbedarf pro Person ansteigen lassen, stellt der Marktforscher fest. Aktuell steige der Flächenbedarf der Bevölkerung pro Person im Bundesdurchschnitt jährlich zwischen 0,3 und 0,4 Quadratmetern. Diese Entwicklung ist mit dafür verantwortlich, dass Wohnen auch in der Landeshauptstadt letztendlich immer teurer wird, sind sich die Experten einig. 'Die Preisspirale auf dem Stuttgarter Immobilienmarkt dreht sich seit Jahren kontinuierlich nach oben', stellt auch Marktforscher Kippes fest.

Besonders rar sei derzeit in Stuttgart das Angebot bei den Mietwohnungen unter 100 Quadratmetern mit einem einfachen bis mittleren Wohnwert, so der aktuelle Cityreport Stuttgart. Danach liegt die durchschnittliche Miete für eine Altbauwohnung in Stuttgart bei 11,90 Euro (guter Wohnwert). Für eine neu errichtete Mietwohnung müssen im Durchschnitt für den gleichen Standard bereits 13,40 Euro pro Quadratmeter auf den Tisch gelegt werden. Mittelfristig sieht das IVD-Marktforschungsinstitut in Stuttgart keine substanzielle Entspannung. Sollten sich die Bevölkerungsprognosen bestätigen und die Bautätigkeit weiter auf so einem niedrigem Niveau bleiben, seien weitere Preissteigerungen auf dem Stuttgarter Wohnungsmarkt vorprogrammiert, ist sich Stephan Kippes sicher.

Doch ob der Vorschlag von Oberbürgermeister Fritz Kuhn, kleinere Wohnungen zu bauen, das Problem mit den immer teurer werdenden Wohnungsmieten lösen kann, wird von der Immobilienwirtschaft unterschiedlich gesehen. Thomas Wolf, Vorstand des Bau- und Wohnungsvereins Stuttgart, kann sich durchaus vorstellen, dass in Zukunft auch wieder kleinere Wohnungen von den Mietern geschätzt werden, 'weil sie sich die großen einfach nicht mehr leisten können'. Peter Brenner, Vorstandsvorsitzender vom Verband IWS Immobilienwirtschaft für die Region Stuttgart ist in seiner Einschätzung schon zurückhaltender. 'Wir können nicht am Markt vorbeiplanen.' Dieser Meinung ist auch Gerald Lipka.

"Das Bauen wird durch politische Entscheidungen immer teurer"

Der Geschäftsführer vom Landesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen Baden-Württemberg ist skeptisch, ob sich unter den aktuellen Rahmenbedingungen die 'ehrgeizigen' Ziele eines 'Bündnisses für Wohnen' überhaupt erreichen lassen. 'Der Spielraum für die freien Wohnungsbauunternehmen ist sehr gering. Und solange das Bauen durch politische Entscheidungen immer teurer gemacht wird, kann ich auch keine günstigen Wohnungen anbieten', sagte er. Schon heute lägen die Herstellungskosten pro Quadratmeter bei rund 2900 Euro - ohne Grundstückskosten. Selbst wenn man diese Wohnungen mit vier Euro pro Quadratmeter subventionieren würde, könnten sich einkommensschwache Mieter diese Wohnungen nicht leisten.

Fritz Kuhn setzt indes auf politische Instrumente. Er weiß aber auch, dass er in seinem Bemühen um die Schaffung bezahlbarer Wohnungen in Stuttgart auf die Mithilfe der Wohnungswirtschaft angewiesen ist und wohl nicht umhinkommen wird, auch das eine oder andere Zugeständnis zu machen. Peter Brenner, dessen Verband IWS Immobilienwirtschaft für die Region Stuttgart diese Woche das zehnjährige Bestehen feiern konnte, fasste es folgerichtig zusammen: 'Bis erste Ergebnisse sichtbar werden, müssen von beiden Seiten aber noch viele dicke Bretter gebohrt werden.'