Der Oberbürgermeister Fritz Kuhn setzt voll auf Planungshoheit bei städtischen Grundstücken. Doch dafür kümmert sich die Stadtverwaltung in Stuttgart laut Experten der Bauwirtschaft zu wenig um eigene Flächen.

Stuttgart - Die Stadt will gestalten, wenn es um das Thema Wohnungsbau geht. Sogenannte Konzeptvergaben gehören zu den Mitteln, mit denen die Verwaltung unter Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) dem Wohnungsmangel in Stuttgart begegnen will. Auf städtischen Grundstücken sollen dessen Ziele – darunter mehr geförderte Wohnungen, soziale Durchmischung von Quartieren oder kleinere Wohneinheiten – realisiert werden. Das ist jedoch nur möglich, solange die Stadt ausreichend Flächen für derartige Projekte zur Verfügung hat. Aus Politik und Bauwirtschaft mehren sich nun Stimmen, die von der Verwaltung eine aktivere Grundstückspolitik fordern.

 

„Um dauerhaft mit Konzeptvergaben arbeiten zu können, muss die Stadt Grundstücke kaufen“, sagt Peter Brenner, der Vorstandsvorsitzende des Vereins Immobilienwirtschaft Stuttgart (IWS). „Doch der Ankauf kommt im Konzept von OB Kuhn nicht vor“, mahnt er und fügt an: „Wichtig wäre, Zukäufe im Voraus genau zu planen.“

Zehn Millionen Euro zum Grunderwerb

Die Konzeptvergaben sind Teil des im Dezember vorgestellten Wohnkonzepts des OB. Darin heißt es, dass 2014 statt 40 Millionen Euro nur 20 Millionen mit dem Verkauf eigener Flächen erwirtschaftet werden sollen. „Städtischen Grundstücke sollen verstärkt für die Umsetzung der Ziele der Stuttgarter Wohnungsbaupolitik eingesetzt werden“, heißt es zur Begründung. Das bedeutet: werden auf einem Grundstück mehr Sozialwohnungen geplant, wirft es beim Verkauf weniger Profit ab. Auf StZ-Nachfrage erklärt Stuttgarts Finanzbürgermeister Michael Föll (CDU): „Im Haushalt 2014/2015 stehen jährlich zehn Millionen Euro an Grunderwerbsmitteln zur Verfügung. Ein Teil davon – je nach Gelegenheit – fließt wie bislang auch geschehen in den Erwerb von Grundstücken, die dem Wohnungsbau dienen sollen.“

IWS-Chef Brenner entgegnet: „Diese Summe ist für eine aktive Grundstückspolitik nicht ausreichend.“ Bei Preisen von durchschnittlich 1000 Euro für einen Quadratmeter Bauland seien zehn Millionen schnell aufgebraucht, so Brenner. „Die Stadt muss mehr Geld in die Hand nehmen, um ernsthaft etwas ausrichten zu können.“

Gemeinsame Forderung von SÖS/Linke und Freien Wählern

Mit den geplanten Investitionen könnte die Stadt pro Jahr rund 10 000 Quadratmeter Bauland erwerben. Zum Vergleich: das Gebiet Rote Wand am Stuttgarter Killesberg, ein ehemaliger Parkplatz der dortigen Messe, umfasst 9000 Quadratmeter. An dieser Stelle soll ein Architektenwettbewerb und eine Konzeptvergabe stattfinden, rund 100 Wohnungen sind derzeit geplant.

Bereits direkt nach der Vorstellung der Wohnstrategie von Fritz Kuhn hatte es entsprechende Reaktionen aus dem Gemeinderat gegeben. Sowohl der Fraktionsvorsitzende der Freien Wähler, Jürgen Zeeb, als auch dessen Amtskollege von SÖS/Linke, Hannes Rockenbauch, hatten gegenüber der Stuttgarter Zeitung unabhängig voneinander erklärt: „Die Mittel für den Erwerb von Grundstücken müssen erhöht werden. Nur wer Bauland besitzt, kann bestimmen, was darauf geschieht.“

Haus und Grund spricht von „teurem Spaß“

Auf dem Wohnungsmarkt gehen die Meinungen zur städtischen Flächenpolitik auseinander. „Die Summe, die die Stadt in die Hand nimmt, ist noch viel zu gering“, sagt Rolf Gaßmann, der Vorsitzende des Stuttgarter Mietervereins. „Grundsätzlich ist es aber sinnvoll, dass sich die Verwaltung um den Erwerb von Grundstücken bemüht. Besser die Kommune investiert in Bauland, bevor das an rein profitorientierte Investoren verkauft wird.“

Ulrich Wecker, der Geschäftsführer des Eigentümervereins Haus und Grund hält dagegen: „Die Stadt kann allein mit dem Planungsrecht ausreichend Einfluss nehmen. Doch der Kauf von Bauland ist sicher keine kommunale Aufgabe.“ Wecker bezeichnet Forderungen nach einer aktiveren Grundstückspolitik als „teuren Spaß“.

„Welche konkreten Grundstücke erworben werden, hängt im wesentlichen von der Verfügbarkeit, der planungsrechtlichen Situation und natürlich vom Preis ab“, erklärt der Pressesprecher der Stadt, Andreas Scharf. Befürchtungen, dass die Kommune als Grundstückskäufer Einfluss auf die Preise haben könnte, entgegnet der Sprecher: „Da die Stadt an den Verkehrswert gebunden ist, sehen wir keine Auswirkungen auf die Grundstückspreise.“

Geförderter Wohnungsbau

Ziele
Die Verwaltung hat sich nach eigener Aussage zum Ziel gesetzt, dass insgesamt 1800 Wohnungen pro Jahr in der Stadt fertiggestellt werden sollen, 600 davon öffentlich gefördert. Dabei soll das Stuttgarter Innenentwicklungsmodell, kurz SIM, ein wichtiger Baustein sein. Demnach müssen, dort wo neues Baurecht gilt, 20 Prozent der Geschossfläche geförderten Wohnungsbau enthalten.

Strategie
Auf Flächen, die der Stadt gehören, sollen bei Neubauvorhaben höhere Quoten erreicht werden. In seinem Strategiepapier nennt OB Fritz Kuhn acht Areale mit einer jeweils angestrebten Zahl an Wohneinheiten.

Gebiete
Das Olgahospital in Stuttgart-West mit 200 bis 250 Wohneinheiten, der Neckarpark in Bad Cannstatt mit rund 600 Wohnungen, das Bürgerhospital-Areal im Norden mit etwa 500 Wohneinheiten, die Rote Wand am Killesberg mit bis zu 100 Wohnungen, das Schoch-Areal in Feuerbach (geplant sind 125 Wohnungen), Langenäcker-Wiesert in Stammheim (320 Wohneinheiten), Mittlere Wohlfahrt in Mühlhausen mit rund 90 Wohnungen und das Gebiet Böckinger Straße in Zuffenhausen mit etwa 140 Wohneinheiten.