Die Umweltschützer des BUND üben scharfe Kritik am Baugebiet Langenäcker-Wiesert in Stammheim. Der Gemeinderat entscheidet am Donnerstag über die Pläne. Die 320 Wohnuneinheiten sollen auf mehr als 8 Hektar Acker- und Gartenfläche entstehen.

Stuttgart - Es ist eines der großen Baugebiete Stuttgarts und Teil der Strategie von OB Fritz Kuhn (Grüne). Aus Sicht der Stadt sind die mehr als acht Hektar im Osten des Bezirks Stammheim dringend notwendig, um die wohnungspolitischen Ziele der Verwaltung erfüllen zu können. Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) spricht hingegen von einem Rückfall „in die städtebauliche Steinzeit“. Die Umweltschützer kritisieren, dass fruchtbare Ackerböden versiegelt werden. Der Gemeinderat entscheidet am heutigen Donnerstag endgültig über das Vorhaben.

 

Zu Wochenbeginn hatte der BUND in einer Presseerklärung das Vorhaben als „Frischland Schlachtobjekt“ bezeichnet. „Das geplante Neubaugebiet löst die Stuttgarter Wohnungsdefizite in keiner Weise“, heißt es in der Mitteilung. Stattdessen würden beste landwirtschaftliche Böden unwiederbringlich vernichtet. „Der BUND appelliert eindringlich – besonders an die SPD-Gemeinderatsfraktion – dem Vorhaben nicht zuzustimmen“, heißt es weiter. Auf StZ-Nachfrage äußert sich der BUND-Regionalgeschäftsführer Gerhard Pfeifer: „Die SPD ist das Zünglein an der Wage. Die öko-soziale Mehrheit im Rat hat in den vergangenen Jahren fast alle derartigen Projekte gekippt – bis auf dieses.“ Weshalb die Sozialdemokraten an den 320 Wohnungen in Stammheim festhalten, kann Pfeifer nicht verstehen.

Verständnis für den BUND

„Wir brauchen diese Wohnungen dringend“, erklärt die Fraktionsvorsitzende der SPD, Roswitha Blind, „deswegen werden wir den Plänen zustimmen.“ Für die Kritik des BUND hat Blind jedoch Verständnis: „Ja, hier werden Freiflächen versiegelt. Es sind zwar Ausgleichsmaßnahmen geplant. Dass diese den ökologischen Wert komplett erhalten können, ist eine Fiktion. Sie mildern die Probleme aber ab.“ Auf der anderen Seite, habe Stuttgart in den vergangenen sechs Jahren 24 000 Einwohner hinzubekommen. Aus diesem Grund führe kein Weg an dem Vorhaben vorbei, so Blind.

Im Flächennutzungsplan der Stadt wird das Gebiet als landwirtschaftliche Fläche mit Obstbäumen und Gartenanlagen beschrieben. Dabei wird im selben Dokument der Vorrang der Innenentwicklung als Leitbild formuliert. „Vorrang der Innenentwicklung – das heißt Verzicht auf größere Neubauflächen“, heißt es zum Thema auf der städtischen Homepage. Und: „Je mehr es gelingt, die großen Bauflächenpotenziale im Bestand zu mobilisieren, desto geringer muss der Umfang der neu zu erschließenden Flächen am Siedlungsrand sein.“

Der Erste Bürgermeister, Michael Föll (CDU), erklärt dazu: „Diese Diskussion ist beendet. Der Vorrang der Innenentwicklung gilt.“ Allerdings seien noch wenige Gebiete übrig, bei denen man Außenentwicklung betreibt, die der Gemeinderat nach der Kommunalwahl 2009 nicht gekippt hat, sagt Föll und fügt an: „Wir brauchen diese Fläche, um die Ziele der Stadt in Sachen geförderter Wohnungsbau zu erreichen.“ Von 1800 fertiggestellten Wohnungen pro Jahr sollen in den kommenden Jahren jeweils 600 subventioniert werden.

Michael Föll rechnet mit Zustimmung

1,7 Hektar des Stammheimer Baulands gehören der Stadt. Auf dieser Fläche sollen rund 90 Wohneinheiten mit öffentlichen Zuschüssen entstehen. Jeweils ein Drittel soll auf klassische Sozialwohnungen, Mietwohnungen für mittlere Einkommen und das Programm Preiswertes Wohneigentum entfallen. Auch die SPD rechtfertigt ihre Entscheidung mit dem hohen Anteil geförderter Wohnungen. „Ein Baugebiet mit insgesamt 320 Wohneinheiten ist für Stuttgart ein Schwerpunkt in Sachen Wohnungsbau“, erklärt Michael Föll.

Der Erste Bürgermeister rechnet bei der Abstimmung des Gemeinderats nach eigener Aussage mit einer Mehrheit für das Bauprojekt. Neben der SPD haben auch FDP, Freie Wähler und CDU signalisiert, dem Satzungsbeschluss zustimmen zu wollen. „Die Kritik des BUND ist überzogen“, argumentiert CDU-Stadtrat Philipp Hill. Der Vorrang für Innenentwicklung gelte weiter, so Hill, „Es muss aber möglich sein, Ausnahmen zu machen, wo es sinnvoll ist.“ Das sei im Fall Langenäcker-Wiesert so, da es sich um ein Baugebiet für junge Familien handelt, erklärt der CDU-Stadtrat.

Mit dem Bau der 320 Wohneinheiten im Osten Stammheims soll im Jahr 2016 begonnen werden. Stimmt der Gemeinderat dem Satzungsbeschluss am heutigen Donnerstag zu, ist die Entscheidung für das Baugebiet endgültig gefallen. Die Fläche ist eines der acht Gebiete, die Oberbürgermeister Fritz Kuhn in seinem Strategiepapier ausdrücklich erwähnt. Hier will er einen höheren Anteil geförderter Wohneinheiten realisieren, als die per Innenentwicklungsmodell SIM ohnehin vorgegebenen 20 Prozent. Nach aktueller Planung wird mit den 90 geförderten Wohneinheiten auf der städtischen Teilfläche ein Anteil von 28 Prozent erreicht.

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