Der Bau- und Wohnungsverein ist der älteste Bauträger der Stadt. Der Vorstandsvorsitzende, Thomas Wolf, beklagt: „Es fehlt der politische Wille für mehr Wohnungsbau.“

Stuttgart - Bauherren, die in Stuttgart Wohnungen errichten und am Ende günstig vermieten wollen, sind rar. „Doch das ist genau unser Auftrag“, erklärt Thomas Wolf. Er ist der Vorstandsvorsitzende des Bau- und Wohnungsvereins und Sprecher aller ehemals gemeinnützigen Wohnbauunternehmen. Doch trotz dieser Haltung denkt Wolf inzwischen laut darüber nach, nicht länger in der Landeshauptstadt zu bauen. Der Grund: „Es fehlt der politische Wille für mehr Wohnungsbau.“

 

Laut Thomas Wolf ist die Situation mehr als schwierig. Die Verwaltung und der Gemeinderat sind strikt gegen neue Baugebiete. Man setzt auf Innenentwicklung. „Dafür müssten wir Bestandsgebäude abreißen, um dort bauen zu können. Doch das ist politisch nicht beliebt“, so Wolf. „Aber über Wohnbau auf der grünen Wiese wird nicht einmal diskutiert“, sagt der Vorstand weiter. Der Bau- und Wohnungsverein wolle zwar bauen, so Wolf. „Doch wir wissen langsam nicht mehr wo.“

Das Unternehmen feiert am Dienstag sein 150-jähriges Bestehen und ist damit der älteste Bauträger der Stadt. „Gutverdienende werden auch in Zukunft kein Problem haben, hochwertigen Wohnraum in guter Lage zu finden“, schreibt Wolf in der Pressemitteilung zum Jubiläum und fügt hinzu: „Unsere Klientel ist aber der normale Angestellte oder Arbeiter – die Krankenschwester, der Erzieher der Beamte oder der Handwerker.“ Im Gespräch mit der StZ ergänzt er: „Schon junge Akademiker haben inzwischen kaum mehr eine Chance, eine Wohnung in der Stadt zu finden.“

Gründung im Jahr 1866

Das Unternehmen wurde 1866 von Eduard Pfeifer gegründet und hat derzeit fast 5000 Mietwohnungen und damit mehr als 300 000 Quadratmeter Wohnfläche in seinem Bestand. Bis auf wenige Ausnahmen befindet sich alles auf Stuttgarter Markung. Doch das könnte sich rasch verändern. „Auf dem freien Markt können wir uns nicht mit Grundstücken versorgen“, sagt Wolf. Bei den Preisen, die von institutionellen Anlegern oder gewinnorientierten Bauträgern bezahlt würden, könne man nicht mitgehen. Wolf erklärt in diesem Zusammenhang seine Kalkulation: „Wir rechnen derzeit mit Herstellungskosten von rund 2800  Euro pro Quadratmeter Wohnfläche.“ Das seien allein die Baukosten. „Der Grundstückspreis ist darin nicht eingerechnet.“ Wenn das Unternehmen nun auf eigenen Grundstücken baut, strebt Wolf eine Miete für die Neubauwohnungen von unter elf Euro pro Quadratmeter an. „Das gilt etwa für die 93 Wohneinheiten nahe der Darmstädterstraße in Bad Cannstatt“, sagt er. Müsse man den Preis für das Grundstück jedoch hinzurechnen, komme man schnell auf eine Kaltmiete von mehr als 13 Euro. „Wir sind also auf günstige Grundstücke der Stadt angewiesen“, sagt er.

„Was uns Sorgen bereitet, es kommen weitere Folterwerkzeuge auf uns zu“, so Wolf. Der Chef des Bau- und Wohnungsvereins spielt damit auf Vorschriften für den Neubau an, die sich in den kommenden Jahren weiter verschärfen sollen. „All das macht das Bauen und somit die Mieten teurer“, sagt er.

Soll die Stadt wachsen, ja oder nein?

Mit Blick auf Stuttgart fordert Thomas Wolf eine Grundsatzentscheidung von der Politik: „Soll die Stadt wachsen, ja oder nein“, fragt er in Richtung Rathaus. „Ich bin mir sicher, sagt Wolf zu diesem Thema, dass die Stadt angesichts des immer weiter steigenden Drucks auf dem Wohnungsmarkt mittelfristig nicht umhinkommt, neue Baugebiete auszuweisen.“ Als Gründe nennt Wolf sowohl die Zuwanderung von Fachkräften, die von der boomenden Wirtschaft rund um Stuttgart angelockt werden sowie den massiven Zustrom von Flüchtlingen. „Derzeit stehen knapp 4000 Haushalte auf der Warteliste für eine Sozialwohnung“, sagt er und fügt hinzu: „Ich rechne damit, dass dort bald 7000 stehen werden.“

Das 150-jährige Bestehen des Bau- und Wohnungsvereins wird am Abend in der Alten Reithalle gefeiert. Stuttgarts OB Fritz Kuhn (Grüne) wird am Abend zwar vom Finanzbürgermeister Michael Föll (CDU) vertreten, in der Presseerklärung zum Jubiläum bezeichnet der OB das Unternehmen jedoch als „Pionier des Gemeinnützigkeitsgedankens und des sozialen Wohnungsbaus in Deutschland“.