Die Stadt Stuttgart investiert in den kommenden beiden Jahren fast 100 Millionen Euro in den geförderten Wohnungsbau. Aber nur ein kleiner Teil davon ist im Haushalt abgebildet. Bis 2020 werden Flächen für rund 10 000 Wohnungen bebaubar.

Stuttgart - Die Stuttgarter Landtagskandidaten von SPD und Linken fordern in den Kampagnen stärkere Anstrengungen beim sozialen Wohnungsbau. Und der CDU-Kandidat Reinhard Löffler plädiert für eine steuerliche Besserstellung von Ersterwerbern. Er zieht mit der Forderung nach höherer Abschreibung und dem Verzicht auf die Grunderwerbssteuer in einen Wahlkampf, in dem Wohnungsnot und Flüchtlingsproblematik verwoben sind.

 

Finanzbürgermeister Michael Föll (CDU) hält zwar die Gefahr für gering, dass sich tausende Asylberechtigte auf den Weg nach Stuttgart machen, um Arbeit zu finden, weil hier nur die wenigsten Verwandtschaft und damit ein Obdach hätten. Gleichzeitig rechnet sein Jobcenter aber bis Ende 2016 mit 8890 erwerbsfähigen hilfebedürftigen anerkannten Flüchtlingen. Viele werden in der Notfallkartei des Amts für Liegenschaften Aufnahme finden, die bereits rund 4000 Namen umfasst.

Stuttgart nicht schlechter als München

Die Zahlen unterstreichen den Handlungsbedarf. Kritiker des Stuttgarter Engagements unterfüttern ihre Kritik gerne mit Vergleichszahlen anderer Kommunen. Mit gutem Beispiel geht München mit 1,5 Millionen Einwohnern voran. 2014 wurden 175 Millionen Euro in die öffentliche Wohnungsförderung investiert. Die im Stuttgarter Haushalt verankerte Summe von 17 Millionen Euro pro Jahr erscheint demgegenüber trotz der geringeren Einwohnerzahl von 602 304 (städtisches Melderegister Ende 2015) überschaubar.

Das Gegenteil sei richtig, stellt Michael Föll gegenüber der StZ klar, nachdem er sich in München informiert hat. Deren Wohnungsbaufördermittel umfassen neben Darlehen nachweislich auch sämtliche Mindererlöse bei Grundstücksvergaben. Berücksichtige er diese Zahl auch, dann fördere die Stadt den Wohnungsbau mit 48,6 Millionen Euro in diesem und mit 42,75 Millionen Euro im nächsten Jahr.

Verzicht Die Stadt hat sich vorgenommen, diverse Grundstücke um bis zu 45 Prozent unter Wert zu verkaufen und damit auf zehn Millionen Euro Einnahmen pro Jahr zu verzichten. Diese Zahl ist bekannt, anders als der größte Verzichtposten: 24,8 Millionen Euro pro Jahr für „mittelbare Zuwendungen aus vergünstigten Erbbaurechten für sozialen Wohnungsbau“. So würden etwa Baugenossenschaften nur 0,4 statt 4,0 Prozent Erbbauzins bezahlen, so Föll. Ein zweiter Vorteil: Die Bezugsgröße für die Ermittlung des Erbbauzinses seit deutlich geringer als der sonst der Berechnung zugrunde liegende Verkehrswert. Förderung Die Stadt fördert in den nächsten beiden Jahren den Bau von 600 Sozialwohnungen mit sechs Millionen Euro. Sie ergänzt damit die Landesförderung von 75 000 Euro pro Einheit einer 25-jährigen Mietpreis- und Belegungsbindung. Vom Bund sollen nun weitere 6000 Euro dazukommen. Das Familienbauprogramm umfasst 200 Einheiten (3,5 Millionen Euro). Außerdem wendet die Stadt 1,25 Millionen Euro im Doppelhaushalt auf, um Mietpreisbindungen um 20 Jahre zu verlängern. Voraussetzung sei aber ein Mieterwechsel, sagt Föll. Gemeinsam mit Bund und Land finanziert die Stadt auch die Verlängerung von Belegungsbindungen. Darüber sei man sich im Bündnis für Wohnen mit den Eigentümern näher gekommen, sagt der Bürgermeister. Ziel sei es, 150 Verlängerungen pro Jahr zu erreichen. Mit 300 neuen Sozialwohnungen sei so der Schwund von 450 Einheiten pro Jahr zu kompensieren. Aus dem Vorjahr sind noch Restmittel von sechs Millionen Euro vorhanden. Föll sagt, in Stuttgart würde der Bau von Sozialwohnungen und der Kauf von Belegungsrechten keinesfalls an fehlenden Mitteln scheitern.

Die Zahl der Sozialbindungen soll konstant bleiben

Flächenmanagement Eher könnte die fehlende Bereitschaft von Mitbewerbern der stadteigenen Gesellschaft SWSG ein Hemmnis sein, die bis 2020 rund 2000 Wohnungen, davon 800 geförderte, bauen will. Man sei mit ihnen in guten Gesprächen, sagt Föll, der insgesamt Flächen für 1800 Wohnungen jährlich bereit stellen will. Bis 2020 stehen laut Baubürgermeister Peter Pätzold (Grüne) 103 Gebiete mit 9945 Wohneinheiten zur Verfügung. Anfang 2015 seien 40 Gebiete mit einem Potenzial von 3485 Wohnungen im Bau gewesen. Außerdem würden sich 250 Wohneinheiten pro Jahr durch frei werdende Baulücken ergeben. Pätzold verweist auf die – etwa von SÖS-Linke-Plus – eingeforderte Bevorratungspolitik mit eigenen Grundstücken. „Alle großen Baugebiete sind in städtischer Hand“: Bürgerhospital (3,9 Hektar), Neckarpark (11,9 Hektar), Olgahospital (1,6 Hektar).

Visionen Forderungen, über die Bebauung der grünen Stadtränder nachzudenken, erteilt die Rathausspitze eine Absage. Föll erinnert an die Chance, auf den durch S 21 frei werdenden Gleisflächen für bis zu 20 000 Menschen Wohnraum zu schaffen. Bis auch nur ein Feld in städtischen Besitz gelangt und baureif gemacht ist, brauche es zehn Jahre, sagt der Kämmerer. Bis dahin seien hinterm Bahnhof die Bagger angerückt. Mehr Bürger vertrage die Stadt nicht. OB Fritz Kuhn (Grüne) fordert in der Wohnungsdebatte ein „Stuttgarter Maß“. Bürgermeister Föll sagt, die städtische Bevölkerung könne um 20 000 Einwohner zu- und abnehmen, mehr aber nicht. Diese Einschätzung teilen offenbar Union und Grüne ebenso wie jene, dass das Wohnungsproblem nur mit der Region zu lösen sei. „Die Nachbarn fühlen sich vor allem dem Bau von Einfamilienhäusern verpflichtet“, klagt der Stuttgarter CDU-Regionalrat Roland Schmid. Es könne nicht sein, dass Stuttgart allein für die Reichen – auf der Halbhöhe – und die Armen zuständig sei, stellt Bürgermeister Föll fest.