Nach deutlich weniger Wohnungseinbrüchen in Stuttgart im vergangenen Jahr ist es mit der Ruhe vorerst vorbei. Die Banden sind offenbar wieder da: Seit Jahresbeginn haben die Täter bereits mehr als 100 Wohnungen ins Visier genommen. Mit auffälligen Schwerpunkten.

Lokales: Wolf-Dieter Obst (wdo)

Stuttgart - Die beiden Männer aus Kutaissi werden nichts sagen. Nichts darüber, wer ihnen den Weg aus der zweitgrößten Stadt Georgiens so zielsicher in eine Wohnstraße gewiesen hat, die nicht einmal ein Einheimischer auf Anhieb kennen würde. Wer weiß schon, dass die Straße Brenntenhau auf der Rohrer Höhe liegt? Im Reiseführer der beiden 26 und 29 Jahre alten Männer scheint sie dennoch verzeichnet zu sein. Oder zumindest im Netzwerk der georgischen Mafia, die von der Stadt Kutaissi aus, 200 Kilometer westlich der Hauptstadt Tiflis gelegen, ihre Soldaten zu Wohnungseinbrüchen und Ladendiebstählen nach Deutschland schickt.

 

Nun sitzen die 26 und 29 Jahre alten Verdächtigen in Untersuchungshaft. Sie waren vor wenigen Tagen im Stadtteil Rohr auf frischer Tat erwischt worden – in jenem Bezirk am Rande der Autobahn 8 im Süden Stuttgarts, in dem es seit Jahresbeginn besonders viele Wohnungseinbrüche gibt. Es ist wenig wahrscheinlich, dass das Duo, das von einem Anwohner entdeckt und von der Polizei bei einer Fahndung festgenommen wurde, ohne Hintermänner auf Einbruchstour gewesen war. Die sogenannten Diebe im Gesetz, wie sich die georgische Mafia selbst nennt, sind streng hierarchisch organisiert – mit Brigadeführern, Spähern und den Fußtruppen, den Soldaten. Letztere werden in der Heimat angeworben und sind in Deutschland meist unbeschriebene Blätter. „Über die beiden Tatverdächtigen gibt es keine Einträge in den Polizeisystemen“, sagt Polizeisprecher Stephan Widmann, „nur der Ältere ist wegen illegalen Aufenthalts zur Fahndung ausgeschrieben gewesen.“

Schon einmal sorgten georgische Banden für Alarm

Dass wieder georgische Tatverdächtige bei Beutezügen in Wohnungen erwischt werden, ist ein Alarmsignal. Schon vor Jahren hatten Banden aus Georgien traurige Rekordzahlen in der Region geliefert – ehe es der Polizei gelang, größere Gruppierungen und Strukturen zu zerschlagen. Die Zahl der Wohnungseinbrüche ging deutlich zurück – auch 2016. Doch seit Jahresbeginn häufen sich die Einbrüche wieder – als ob sich die Tätergruppierungen neu organisiert hätten. Der Blick in die Kriminaldatenbank unserer Zeitung zeigt, dass es in den ersten 40 Tagen mehr als 100 Einbrüche und Einbruchsversuche in Stuttgart gegeben hat. Über statistische Angaben hält sich die Polizei bedeckt, aber Sprecher Widmann bestätigt: „Das ist gegenüber dem Vorjahreszeitraum angestiegen.“

Wo in Stuttgart die Brennpunkte liegen

Doch nicht jeder Stadtbezirk ist gleich stark betroffen. Ganz offensichtlich haben die Täter ihre Vorlieben – beziehungsweise einschlägige Regieanweisungen ihrer Hintermänner. Auffallend häufig betroffen ist der Stuttgarter Osten, wo seit Jahresbeginn zwölf Wohnungen ins Visier genommen wurden. Einer der Schwerpunkte ist rund um den Park der Villa Berg erkennbar.

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Dass der Stadtteil Rohr für georgische Tatverdächtige gar nicht so abgelegen ist, dürfte der Nähe zur Autobahn 8 geschuldet sein. Rohr und Dürrlewang gehören mit elf Wohnungseinbrüchen zu den aktuellen Brennpunkten. Nicht viel ruhiger geht es in Feuerbach zu, besonders auf den Höhen entlang des Feuerbacher Tals. Dort sind bis zum Sonntagabend ebenfalls elf Wohnungen ins Visier genommen worden. Die Nähe zur B 295 dürfte die neun Fälle in Weilimdorf erklären, die B 27 die insgesamt neun Fälle in Degerloch und Sonnenberg.

Beute in Stuttgarter Pension gefunden

Freilich läuft vieles über die Stadtgrenzen hinwegab. Am Mittwochabend hat die Polizei zwei 34 und 43 Jahre alte Bosnier festgenommen, die sich seit dem 5. Februar in einer Pension in Zuffenhausen einquartiert hatten. Auf Einbruchstour gingen sie aber offenbar in den Kreisen Böblingen und Ludwigsburg – ehe sie in einem Wohngebiet in Schwieberdingen dingfest gemacht wurden.

„In der Stuttgarter Pension wurden Schmuckstücke, Handtaschen, Geldbörsen und Uhren gefunden, die noch nicht zugeordnet werden konnten“, sagt der Ludwigsburger Polizeisprecher Peter Widenhorn. Zwei Ledergeldbeutel wurden offenbar in Leonberg gestohlen. Die Männer aus Banja Luka haben die Unterkunft wechseln müssen – sie sitzen in Untersuchungshaft.

Nicht alle Einbruchsopfer melden sich später

Die Zuordnung gestohlener Schmuckstücke ist die Ludwigsburger Polizei bereits gewöhnt. Nach der Festnahme eines 19-Jährigen aus Zuffenhausen und zweier angeblich aus Albanien eingereister Komplizen im Alter von 22 und 26 Jahren zu Jahresbeginn sind die Ermittler noch damit beschäftigt, über 800 sichergestellte Schmuckstücke und Gegenstände zuzuordnen. „Etwa 100 Stücke konnten wir bisher unterbringen“, sagt Widenhorn.

Bislang gelten zwölf Fälle in Stuttgart, in Korntal-Münchingen und Ludwigsburg als geklärt. Die Menge der Beute lässt aber um die 70 Taten vermuten. Mehr als 400 potenzielle Opfer wurden von den Ermittlern angeschrieben – aber nicht alle melden sich. „Wenn der materielle Schaden von der Versicherung bereits reguliert worden ist“, sagt Polizeisprecher Widenhorn, „dann ist das Interesse der Opfer deutlich geringer.“ Schade: Die Tat bleibt so ungeklärt.