Das Institut für Urbanistik gibt der Stadtverwaltung Hausaufgaben auf. Sie soll unter anderem selbst in den sozialen Wohnungsbau investieren, um die weitere Gentrifizierung aufzuhalten. Am Montag wird die Fallstudie den Stadträten im Sozialausschuss vorgestellt.

Stuttgart - Die Verdrängung von Sozialmietern aus renovierten und sanierten Häusern und teuer aufgesiedelten Quartieren soll aufgehalten werden. Deshalb befassen sich die Stadträte im Sozialausschuss am Montag mit dem Thema. Ihnen liegt eine Fallstudie vor, die vom Institut für Urbanistik für Stuttgart erstellt worden ist.

 

Das Fazit, das gezogen wurde, ist weder überraschend noch kompliziert: Die Stadt soll künftig der Verdrängung von Sozialmietern und Mittelstandsfamilien mehr als bisher Einhalt gebieten, die bisherigen Instrumente reichen nicht aus, um die sogenannte Gentrifizierung aufzuhalten. Das ist die Essenz einer Empfehlung des Deutschen Instituts für Urbanistik (Difu). Es ist von der Landeshauptstadt gemeinsam mit den Städten München, Freiburg, Berlin, Wien, Leipzig, Köln und Dortmund als Forschungsvorhaben in Auftrag gegeben worden.

Zu wenig Daten, zu wenig Verordnungen

Mehr als bisher gefordert seien künftig drei Bereiche: Die Wohnbaupolitik der Stadt, die Sozialplanung und das Finanzressort. In Stuttgart, stellt das Institut fest, fehlt es an der Basis: an kleinräumig und langfristig erhobenen Daten aus den Quartieren. Sanierungen müssten klare Zielvorgaben haben, und eine Milieuschutzsatzung könne bewirken, dass soziale Verdrängung eingedämmt wird. Dieses „bundesrechtliche Instrument“ werde in anderen Großstädten oft, in Stuttgart bisher nur im Nordbahnhofviertel eingesetzt.

Seit 2011 sind private Bauträger über das Innenentwicklungsmodell (SIM) verpflichtet, 20 Prozent des Bauvolumens für Wohnungen zu reservieren und aus diesem Anteil 20 Prozent für geförderten Wohnraum bereitzustellen. Das Institut empfiehlt eine höhere Quote. Auch Sozialverträglichkeitsanalysen kämen kaum zum Einsatz. Vor allem aber sollte die Stadt die Träger der Wohnungswirtschaft mehr in die Pflicht nehmen, den kommunalen Bestand an Sozialwohnungen vergrößern und einen Fonds für Grundstücke einrichten, die unter Auflagen an Wohnbaugenossenschaften oder in Erbpacht vergeben werden könnten.

Sechs Quartiere wandeln sich

Sozialbürgermeister Werner Wölfle und Baubürgermeister Peter Pätzold haben zu den Vorschlägen bereits Stellung genommen. Sie sagen zu, bis Mitte des Jahres statistische Daten mit Sozialraumbezug bereitzustellen, bei Sanierungen künftig ein Sozialplanverfahren vorzuschalten, die SIM-Quote auch zugunsten von senioren- und behindertengerechten Wohnungen zu nutzen und eine Sozialverträglichkeitsprüfung im Rahmen von Bebauungsplanverfahren vorzuschreiben.

Was den Kauf von Wohnungen und Grundstücken und die Absprachen mit Wohnbauträgern angeht, seien erste Schritte gemacht, so Wölfle und Pätzold in ihrer Mitteilung an die Gemeinderats-Ausschüsse, der Ankauf von 150 Wohnungen mit Sozialbindung jährlich sei beschlossen. Darüber hinaus will die Verwaltung ressortübergreifend weitere Handlungsansätze entwickeln. Dazu gründet sie einen Arbeitskreis.

Die Verwaltung hatte dem Institut die besondere Betrachtung von sechs Quartieren empfohlen. Sie sieht sie als von Verdrängungsprozessen betroffen oder bedroht an: das Nordbahnhofviertel, das Rosenbergquartier im Westen, die Stadtteile Stöckach und Ostheim, das Heusteigviertel in Mitte, der Stadtteil Heslach im Süden sowie zentrale Bereiche von Bad Cannstatt und die innerstädtische Talkessellage.