Die Umwandlung von Mietwohnungen in Wohneigentum ist wohnungspolitisch umstritten. Dennoch bietet sie eine Chance auf Wohneigentum.

Stuttgart - Familie K. hätte nie gedacht, eines Tages in den eigenen vier Wänden zu wohnen. Heute gehört ihr die 75-Quadratmeter-Wohnung, in denen die dreiköpfige Familie schon einige Jahre zuvor als Mieter wohnte. Jährlich wechseln bundesweit 10 000 Wohnungen durch Privatisierung den Besitzer. 'Wohnungsprivatisierung ist für viele Menschen mit einem eher geringen Haushaltseinkommen häufig die einzig wirtschaftlich realisierbare Variante, Eigentum zu erwerben', sagt Dieter Schwahn. Der Geschäftsführer der Südwert Wohnungsprivatisierungsgesellschaft ist überzeugt von dem Geschäftsmodell. Im Fokus der Südwert stehen ältere Mietwohnanlagen, bei denen sich öffentliche oder private Eigentümer schwertun, die Gebäude wirtschaftlich zu betreiben.

 

Die Südwert, zu deren Gesellschaftern die LBBW und die Bietigheimer Wohnbau gehören, erwerben die Gebäude und führen in der Regel an der Fassade eine energetische Sanierung durch. Dann erfolgt ein Angebot 'zu Vorzugspreisen' für Mieter, die sich auf dem Niveau der bisherigen Mieten finanzieren lassen, so der Geschäftsführer der Südwert. Die monatliche Belastung durch den Kauf der Wohnung sei dabei nur unwesentlich höher als die bisher gezahlte Miete, wirbt Schwahn. Wer bislang im Schnitt zwischen 450 und 525 Euro Nettokaltmiete für seine Wohnung aufbringen konnte, schultere auch den geringfügig höheren Betrag für das Hypothekendarlehen der Eigentumswohnung.

Rund 30 Prozent kauften ihre Mietwohnung

Die Beispielrechnung: Bei einem Kaufpreis von 90 000 Euro für eine 75 Quadratmeter große Wohnung liegt derzeit die monatliche Belastung bei etwa 460 Euro (zwei Prozent Tilgung, 3,8 Prozent Hypothekenkredit, Laufzeit 30 Jahre). Der Einwand, dass sich die Höhe der Raten bei einer Zinserhöhung schnell ändern könnte, lässt Schwahn nicht gelten. 'Wir schauen immer darauf, dass sich der Eigentümer die Belastung auch künftig noch leisten kann.' Deshalb sollte der Eigenkapitalanteil auch mindestens zehn Prozent des Kaufpreises betragen, rät der Geschäftsführer. Wie groß das Interesse der Mieter an der Bildung von Wohneigentum tatsächlich ist, zeigt ein Blick in die Statistik der Südwert: Rund 30 Prozent kauften auch ihre Mietwohnung. Zehn Prozent der Wohnungen werden von Verwandten oder Bekannten erworben, 20 Prozent der Wohnungen kauften Menschen aus der näheren Umgebung, und weitere 40 Prozent der Wohnungen gingen an private Kapitalanleger. 'Wer weiterhin zur Miete wohnen will, muss bei uns nicht befürchten, vor die Tür gesetzt zu werden', beruhigt Dieter Schwahn.

Die Mieter genießen schon per Gesetz einen besonders hohen Kündigungsschutz. Bei einer Wohnungsprivatisierung könne die Wohnung erst nach einer Sperrfrist von drei Jahren wegen Eigenbedarf oder angemessener wirtschaftlicher Verwendung gekündigt werden. Für Gebiete, in denen die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist, könne die Frist sogar auf bis zu zehn Jahre ausgeweitet werden. Die Südwert, so Schwahn, gehe hier sogar noch einen Schritt weiter und verzichte den Mietern gegenüber per Mietvertragsnachtrag für sich und ihre Rechtsnachfolger auf Kündigung wegen Eigenbedarf und besserer wirtschaftlichen Verwertung.

Diese Regelung gehe weit über den gesetzlichen Schutz hinaus. Beim Mieterverein Stuttgart sieht man das Thema Wohnungsprivatisierung mit gemischten Gefühlen. 'Wir haben vom Grundsatz her nichts dagegen, wenn Menschen Wohneigentum bilden', sagt dessen Geschäftsführerin Angelika Brautmeier. Die meisten Mieter, die derartige Objekte erwerben, würden aber das Zinsrisiko bei der Anschlussfinanzierung und die künftigen Instandhaltungskosten solcher Objekte unterschätzen. Schwerwiegender sei aber der Umstand, dass durch die Wohnungsprivatisierung bislang einer Mietpreisbindung unterliegende Sozialwohnungen dem Wohnungsmarkt entzogen würden. 'Dadurch fehlt preiswerter Wohnraum, den wir gerade in Stuttgart dringend benötigen', erklärt Brautmeier.

Den Verlust an Sozialwohnungen bekam Waiblingen zu spüren

Daran ändere auch die Mietpreisbindung nichts. Spätestens nach deren Wegfall in ein paar Jahren oder nach einem Mieterwechsel könnten sich gerade Bürger mit einem niedrigen Nettohaushaltseinkommen auch diese Wohnungen nicht mehr leisten. Deshalb fordere der Mieterverein schon seit Jahren, die Frist dringend wieder auf zehn Jahre zu verlängern, so die Geschäftsführerin des Stuttgarter Mietervereins. Bei der Südwert wird das Thema anders beurteilt: Abgesehen davon, dass in der Regel nur frei finanzierte Mietwohnungen und keine Sozialwohnungen umgewandelt würden, könne die Miete einer unter Wohnungsbindung liegenden Einheit nur mit Wohnberechtigungsschein und zur Satzungsmiete vermietet werden.

Auch führe in diesen Fällen ein Wechsel nicht zu einer Mieterhöhung, so Schwahn. Den Verlust an belegbaren Sozialwohnungen bekam die Stadt Waiblingen zu spüren, als Anfang 2001 mit der Privatisierung von 239 heruntergekommenen Wohneinheiten auf der Korber Höhe begonnen wurde. Im Nachhinein betrachtet sei dies aber angesichts der eingetreten Verbesserungen tragbar, so das Ergebnis einer von der Südwert begleitend in Auftrag gegebene Evaluationsstudie zur sozialverantwortlichen Wohnungsprivatisierung. Demgegenüber stand vor allem auch eine deutliche Verbesserung der Lebensqualität des Standorts, der bislang als sozialer Brennpunkt galt, heißt es weiter. Auch Befürchtungen, dass sich in der Hausgemeinschaft deutliche Parteien von Mietern und Eigentümern bilden und sich auseinanderleben könnten, hätten sich nicht bestätigt. Begünstigt durch die verringerte Fluktuation seien die Bewohner sogar eher etwas mehr zusammengewachsen.