Er hat über Popmusik im Radio promoviert, war 15 Jahre lang Programmchef des SWR-Jugendsenders „Das Ding“. Ab 1. Februar soll Wolfgang Gushurst die neue Hauptabteilung Kultur, Wissen, SWR2 multimedial ausrichten.

Manteldesk: Mirko Weber (miw)

Baden-Baden - Als das Radio richtig bedeutend gewesen ist, in den fünfziger und sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts, steckte es oft in einer Truhe und stand in der so genannten „guten Stube“. Es sah aus wie ein Möbelstück, und entsprechend pfleglich wurde es behandelt. Später hat man es als kleinen Koffer unter den Arm geklemmt und überall hin mitgenommen. Wolfgang Gushurst, von Februar an Leiter der neuen Hauptabteilung Kultur, Wissen, SWR 2 (was neben dem Hörfunk auch TV-Sendungen wie „Kunscht“, „lesenswert“ oder „odysso“ einbezieht), ist zeitlich ein bisschen später medial eingestiegen. Als Kind der Siebziger (Jahrgang 1971) zog er sich – aufgewachsen in der Nähe von Baden-Baden – ins Kinderzimmer zurück, um Teile von SWF 3-Sendungen auf Cassetten mitzuschneiden. Die Mutter hörte in der Küche SWF 1, der Vater im Wohnzimmer. Und der Bub ärgerte sich, wie alle jungen Leute, die damals Mix Tapes herstellten, höllisch, wenn die Moderatoren am Ende von Stücken, die man nun mal unversehrt im Urzustand haben wollte, „reinquatschten“. Fremde Stimmen rauszulöschen war schwierig.

 

Gleichwohl hatte Gushurst Sympathie für die Vorstellung, dass da jemand in einer Art von Höhle lebt, in einem Studio im Funkhaus – und gewissermaßen ins Nichts der Welt redet, aber eben doch gehört wird, weit über Baden-Baden hinaus. Reine Fantasie war die Vorstellung nicht, denn der junge Gushurst hatte seine SWF-Radio-Premiere schon hinter sich gebracht: als Statist in einem Hörspiel, dessen Macher nicht mehr von ihren kleinen Helfern im Hintergrund erwarteten, als dass sie Atmosphäre erzeugten. Den Rest regelte ein Geräuschmacher. Danach gab es eine kleine Führung durch den Funk, und Gushurst war zumindest schon mal leicht infiziert von diesem Medium. Den Namen des Hörspiels weiß er nicht mehr, er müsste mal im Archiv nachschauen. „Aber ich glaube nicht, dass man mich da raushört“, sagt er.

Bei „Das Ding“ war Gushurst nach seinem Musikwissenschaftsstudium der jüngste Redakteur

Gushurst sitzt noch in seinem alten Büro auf dem Baden-Badener SWR-Gelände, wo er 15 Jahre lang Prorammchef von „Das Ding“ war, dem Jugendprogramm des SWR. Dass es ausgerechnet hier, in völliger Großstadtabgeschiedenheit und vor Waldeinsamkeit produziert wird, kann man so oder so sehen, aber gute Ideen entstehen ja im Kopf, das findet Gushurst auch. Dass er hierhin, in die Höhle, gehören würde, wusste er früh. Parallel zum Musikwissenschaftsstudium in Heidelberg - „als Instrumentalist auf der Gitarre war ich einfach nicht gut genug“ - arbeitete er für den SWF und bekam „den Fuß in die Tür“ bei einem Dokumentationsprojekt: „Da habe ich mich wohl nicht ganz blöd angestellt“, sagt Gushurst, der überhaupt kein Lautsprecher ist. Fast folgerichtig promoviert er bei Silke Leopold über „Popmusik im Radio“. Über Beethoven hatten ja schon genug Leute geschrieben. Als „Das Ding“ auf den Weg gebracht wurde, das sich an „Kids mit Köpfchen“ wenden sollte, ist Gushurst der jüngste Redakteur, bekommt die Direktive „Mach mal!“ mit – und macht was draus. Im Jahr 2002 wird das Format mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet, dann folgt der Kulturpreis Deutsche Sprache.

Jetzt ist Gushurst 45 Jahre alt und der Zeitpunkt da, sich von einer gewissen Berufsjugendlichkeit zu verabschieden. Die Zielgruppe von „Das Ding“ ist schließlich 14-29 Jahre alt. Er sieht das nicht tragisch. Es ist, wie es ist. Und er saß ja eh nicht hinter dem Mikro, sondern war der Organisator, bei dem die Fäden zusammenliefen. Das ist er jetzt wieder als neuer Programmchef von SWR 2 (und Nachfolger von Johannes Weiß), nur hat er mittlerweile ein ganzes Knäuel in der Hand, denn der SWR will Ernst machen mit der Trimedialität. Erste Aufgabe für Gushorst wird es dabei sein, Fernsehen und Hörfunk zusammenzuführen. Darin ist er in einem gewissen Sinn bereits erfahren, hat er doch 2011 bis 2014 das Entwicklungslabor für junge Formate entwickelt. Aber zusammenführen sagt sich leicht hin. Der Durchschnittshörer von SWR 2 ist über sechzig Jahre alt, und der Sender hat es, begreiflicherweise, auf eine jüngere Klientel abgesehen. Wie bekommt man die? „Nach und nach, behutsam“, sagt Gushurst. Und, um es deutlicher werden zu lassen: „Auf die ‚Musikstunde‘“, eines der anerkanntesten, aber auch schwierigen Formate (weil sie eine knappe Stunde Konzentration vom Hörer verlangt), „wird, Stand heute, nicht verzichtet werden können.“