Am Wochenende wird es in Berlin eine riesige Schwaben-Invasion geben. Der Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse erzählt im Brustringer-Interview, warum er sich darauf freut, wieso er auf einen VfB-Sieg hofft und wer sein magisches Dreieck ist.

Berlin - Die in Berlin lebenden Schwaben haben es zuletzt nicht gerade leicht gehabt. Anlässlich des Pokalendspiels bekommen sie an diesem Wochenende nun aber viel Unterstützung. Der Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (69), der für seine ironischen Bemerkungen gegenüber den Berliner Schwaben in die Schlagzeilen geraten ist, blickt der schwäbischen Fan-Invasion freudig entgegen. „Auch ich hoffe, die Stuttgarter spielen den Münchnern einen Streich“, sagt der SPD-Politiker.
Herr Thierse, sind Sie auf die große Schwaben-Invasion vorbereitet?
Ich bin bestens vorbereitet. Aber ich habe leider keine Karte für das Pokalfinale. Ich werde mir das Spiel nur im Fernsehen angucken.

Dann gehen Sie all den Schwaben, die am Wochenende Berlin bevölkern, aus dem Weg?
Auf keinen Fall. Mal sehen, wo die Gäste aus Schwaben und Bayern sich überall in Berlin herumtreiben. Sie sind ja hoch willkommen. Berlin ist eine gute Gastgeberstadt. Und Berlin hat viel Platz.

Worauf müssen sich die VfB-Fans in Berlin einstellen?
Auf eine gute Berliner Currywurst. Auf ein hoffentlich gutes Fußballspiel. Die Schwaben werden nicht auf irgendwelche Antipathien stoßen. Denn ich nehme an, dass die meisten Berliner eine etwas geringere Sympathie für den FC Bayern haben. Auch ich hoffe, die Stuttgarter spielen den Münchnern einen Streich. Die Bayern müssen ja nicht alles gewinnen.

Also wird es eine noch nie da gewesene Sympathie-Welle für die Schwaben geben?
Das halte ich für möglich. Ich glaube, die Mehrheit der Berliner denkt: der reichste Verein Deutschlands muss nicht auch noch den letzten von drei möglichen Titeln holen. Sonst werden die Münchner ja richtig größenwahnsinnig. Also werden die meisten Berliner für den Außenseiter sein.

Die Schwaben finden Berlin ja unglaublich spannend. Was sollten sich die Fans außer dem Spiel noch anschauen?
Natürlich sollten sie mal durch das Brandenburger Tor spazieren oder am Kudamm entlang. Es gibt schöne Ecken im Tiergarten – und sie sollten auch den viel geschmähten Prenzlauer Berg besuchen. Es gibt viele Orte, an denen man Siegesfeiern veranstalten kann.

Dann können die VfB-Anhänger also überall in der Hauptstadt etwas gegen die zahlreichen Schwaben-Vorurteile tun.
Auf jeden Fall. Gegen Vorurteile hilft immer nur die persönliche Begegnung.

Meinen Sie, die Fans werden es schaffen, die Berliner davon zu überzeugen, dass Schwaben nicht nur überkorrekte, strebsame und geizige Spießer sind?
Zu diesen Klischees kann ich nichts sagen, sonst kriege ich gleich wieder einen drauf. Aber ich glaube, es wird den Stuttgarter Fans gelingen. Schwaben – das habe ich festgestellt – können übrigens sehr gut über diese Klischees reden – und lachen.

So wie die Aktionsgruppe „Free Schwabylon“, die einen autonomen schwäbischen Bezirk in Berlin fordert und das Käthe-Kollwitz-Denkmal im Prenzlauer Berg mit Spätzle beworfen hat.
Solange solche Aktionen auf der Ebene des Heiteren, der Ironie, der Satire bleiben, ist alles in Ordnung. Spott und Neckereien sind erlaubt, sie sind Ausdruck einer leicht widersprüchlichen Zuneigung.