Das Sommerprogramm von Wommy Wonder hat in der Sparda-Welt am Stuttgarter Hauptbahnhof Premiere gefeiert. Die Show lebt davon, dass sie es dem Publikum erlaubt, für einen Abend über Kategorien wie guten Geschmack oder Political Correctness hinwegzusehen.

Stuttgart - Es ist was los im Bankenviertel. Neben der Spardabank stehen Tischchen draußen, gut gelaunte Menschen trinken einen Aperitif und genießen den lauen Sommerabend. Drinnen, im sogenannten SpardaWelt EventCenter (muss es eigentlich immer gleich eine ganze Welt sein?), stellt Michael Panzer alias Wommy Wonder an dem Abend sein neues Programm „Wonder-Bar 3D – jetzt auch mit Anfassen!“ vor. Im Saal sitzt das Publikum an Tischen, ein bisschen wie im früheren Renitenztheater. Auf der Bühne steht ein Flügel für den Begleiter Tobias Becker, rechts ist die schillernde „Wonder-Bar“ aufgebaut.

 

Etwas Kompetenz schadet nie

An der steht die meiste Zeit des Abends Fräulein Wommys Bühnenassistentin: Schwester Bärbel nennt sich die schrille Kunstfigur mit den schlechten Zähnen, hinter der sich Marcelo Pivoto verbirgt. Nach den Angaben im Programmheft ist dieser Pivoto ein ausgebildeter Artist – Fähigkeiten, von denen er im Wonder-Programm aber wenig zeigen kann, denn viel mehr als umherschlurfen und Grimassen schneiden darf er nicht. Dabei würde dem Programm ein bisschen handwerkliche Grundkompetenz ganz gut tun.

Denn wer sich als Conférencier auf die Bühne stellt, sollte wenigstens gut sprechen können. Und schon damit hapert es bei Michael Panzer, der sich immer wieder im Redefluss verstolpert, nuschelig artikuliert und damit manchen Gag, sofern es einer ist, leichtfertig versenkt. Aber Panzer singt auch, und das ziemlich häufig. Nicht dass Travestiekünstler professionelle Sänger sein müssen (auch wenn es die gibt) – aber auch Sprechgesang sollte gelernt sein. Dass Tobias Becker beim Singen genauso selten die Töne trifft, macht es nicht besser. Wenigstens ist der aber ein zuverlässiger Pianist.

Nun weiß, wer zu Wommy Wonder geht, in der Regel, worauf er sich einlässt. Umgangsformen und Kultur sind eine Frage von gesellschaftlich verbindlichen Vereinbarungen. Die Wonder-Show lebt davon, dass sie es dem Publikum erlaubt, für einen Abend über Kategorien wie guten Geschmack oder Political Correctness hinwegzusehen. Michael Panzer provoziert die Enthemmung sehr geschickt: man mag sich fragen, wo Panzer in seinem engen Paillettenkleid wohl sein primäres Geschlechtsteil versteckt hat. Indem Panzer diese Frage aber direkt ins Publikum richtet, signalisiert er mit einem verschwörerischen Zwinkern: Ich weiß, was Ihr denkt. Lasst sie einfach raus, die Sau.

Beim ersten anzüglichen Witz – und daraus besteht der Großteil des Programms – mögen sich einige noch genieren, beim dritten aber lachen die meisten mit. Und es wird immer zotiger: „Willst Du dass die Liebe glückt, suche jemand, der sich bückt“, sagt er in so einer „Huch, ist mir jetzt rausgerutscht“-Attitüde. Als das Wort „französisch“ fällt, leckt er mit der Zunge, und was man bei „Eiern“ denken soll, wird auch klar.

Nach der Pause wird’s noch frivoler

Da der Reiz der Tabuverletzung mit der Zeit nachlässt, erhöht Panzer nach der Pause die Dosis. Die Schwäbische-Hausfrau-Nummer als Elfriede Scheufele mit Morgenrock und einer nochmal drastisch aufgerüsteten Oberweite ist ein Dauerkokettieren um Liebhaber, Sex (Er: „Es wär geil, wenn Du schön wärst! Sie: „Es wär schön, wenn Du geil wärst“.), Aussehen und Gewicht, bei der die Ankündigung im Programmtitel („mit Anfassen“) denn auch tatkräftig umgesetzt wird.

Mit der Kunst der Travestie hat das alles wenig zu tun. Die spielt mit geschlechtlichen Rollen und Definitionen, lebt von der Irritation und davon, dass Männer – wie etwa Conchita Wurst - weiblich-erotische Anziehungskraft haben. Davon kann bei Wommy Wonder keine Rede sein. Die monströse Plastikfrisur, die ihr Markenzeichen ist, die gigantische, ausgestopfte Oberweite – das bedient eher die Ästhetik des Rummelplatzes.

Doch wie immer lädt Michael Panzer sich zu seinem Sommerprogramm auch Gäste ein, an diesem Abend war es der Heidelberger Kabarettist Thomas Schreckenberger. Und der zeigte in seinem kurzen, aber mitreißenden Auftritt, wie Pointen zünden können, wenn sie auf Intelligenz, Sprachwitz und scharfer Beobachtung gegründet sind. Bis Sonntag ist er noch im Wommy Wonder-Programm dabei. Am 10. August tritt er im Renitenztheater auf.

Vorstellungen bis 31. August täglich außer montags.