Die beiden Stuttgarter Künstler Jeroo und Daniel T. Geiger bieten am Samstag einen Graffiti-Kurs für Menschen ab fünfzig Jahren an.

Stuttgart - Kürzlich hat der Stuttgarter Graffiti-Künstler Jeroo im Auftrag der Agentur für Arbeit die Wand an der Falkertstaffel im Stuttgarter Westen angesprüht. Statt grauer Tristesse prangen dort nun knallig bunte Fabelwesen auf dem Beton. Gut fünfzig Stunden hat Jeroo für sein Werk gebraucht. Fünfzig Stunden, in denen seine Kunst die Aufmerksamkeit von Anwohnern und Passanten auf sich zog. Ein Mann hat ihm während seiner Arbeit Geld in die Hand gedrückt, weil er das Graffito so schön fand, eine Dame brachte ihm Kaffee und Kuchen zur Stärkung vorbei. „Die Akzeptanz von Graffiti in der Bevölkerung ist in den vergangenen Jahren gestiegen“, sagt Jeroo. Das mache sich bei Aktionen wie dieser an der Falkertstaffel vor wenigen Wochen deutlich bemerkbar. Die Stadt soll bunter werden, das finden inzwischen auch viele Bewohner und Firmen, und beauftragen Künstler wie Jeroo damit, private Wände zu bemalen. Auch in anderen Städten und Ländern sind Graffiti lange nicht mehr nur illegale Schmiererei.

 

Dass sich in Stuttgart etwas tut, nimmt auch Daniel T. Geiger wahr. „Das Interesse, sich diesem Teil der Jugendkultur zu öffnen, ist größer geworden“, sagt der Künstler. „Wir sollten aber nicht nur Akzeptanz fordern, sondern uns als Graffiti-Künstler gleichfalls öffnen.“ Deshalb haben die Stuttgarter Künstler einen kühnen Plan geschmiedet, von dem sie im Moment noch sehr gespannt sind, ob er aufgehen wird.

Am kommenden Samstag bieten die beiden erstmals einen Graffiti-Kurs für Menschen ab fünfzig Jahren an. Gelehrt werden soll darin zunächst die Theorie, etwa die Herkunft der Kunstform Graffiti und die Wurzeln der Jugendkultur. Die Begriffe „Tag“, „Wildstyles“ und „Throwups“ werden erklärt. Jeroo und Geiger wollen die Fähigkeit vermitteln, die schrille Kunst entlang der Straßen, an Hauswänden und an Garagentoren, zu bewerten. „Ohne Kenntnisse erschließt sich ein Graffito oftmals nicht“, sagt Daniel T. Geiger. Welche der Malereien haben Respekt verdient, welche Bedeutung steckt hinter Schriftzeichen, was ist lediglich eine flüchtige Schmiererei? Die Teilnehmer sollen lernen, die bunten Zeichen zu lesen. Anschließend dürfen sie selbst zur Sprühdose greifen und sich auf Leinwänden in transportfähiger Größe verewigen. Malmaterialien und Sicherheitsschutz werden gestellt.

Der Kurs findet in Daniel T. Geigers Galerie und Atelier Tisch-Decke an der Schwabstraße statt, wo derzeit Bilder von Jeroo ausgestellt sind. Auch wenn die Zielgruppe für beide eine ganz neue ist – vom Lehren hat zumindest Jeroo jede Menge Ahnung. Der 34-Jährige heißt im normalen Leben Chris Ganter und ist Lehrer für Sport und Englisch am Fanny-Leicht-Gymnasium in Vaihingen. Bis vor kurzem hat er seinen Schülern in einer Graffiti-AG sein jugendlich-buntes Kunsthandwerk vermittelt. Er selbst hat schon als zwölfjähriger Schüler bei einem Workshop an seiner damaligen Schule gesprüht. Es war das erste Mal für Ganter, der inzwischen ein erfolgreiches Graffiti-Lehrbuch veröffentlicht hat, das als Standardwerk gilt und in mehr als dreißig Ländern erhältlich ist. Am Landeslehrer-Bildungsinstitut hat er Workshops für Kunstlehrer zum Thema Graffiti gegeben. „Die Teilnehmer sind also in guten Händen“, sagt Daniel T. Geiger lachend.

Die meisten Anmeldungen zum Kurs habe es während der Langen Nacht der Museen am vergangenen Wochenende gegeben, an der sich die beiden Künstler mit der Ausstellung in der Galerie Tisch-Decke beteiligt haben. „Man merkt an solchen Abenden, wie sich alles gewandelt hat“, sagt Daniel T. Geiger. Das Publikum sei bunt gemischt und über die Generationen hinweg am Thema interessiert. Der Kunstmarkt habe sich lange schon geöffnet, die Kunst von der Straße, Streetart und Graffiti, sind eigenständige Disziplinen in der Kunstwelt. Große internationale Galerien und Museen stellen die Werke in ihren Räumen aus, Kunstmessen wie die Stroke in München oder Kunstfestivals wie in Frankfurt ziehen Publikum jedes Alters an.

Ob die Kursteilnehmer mit dem neu gewonnenen Wissen gleich Wände besprühen werden, wissen die beiden Künstler selbstverständlich nicht. „Angemeldet haben sich Kunstinteressierte, die sich näher mit dem Thema beschäftigen möchten und bisher keine Zugangsmöglichkeit hatten“, sagt Jeroo. Bei Erfolg sollen die Kurse zukünftig monatlich stattfinden.

Workshop: Anmeldungen für den Kurs in der Galerie Tisch-Decke, Schwabstraße 2, sind noch möglich unter der Telefonnummer 0179/666 98 57, oder an die E-Mail-Adresse tischdecke@mongomania.com.