Im Fall Wowereit hat der BGH entschieden: Die Bilder von einem Abendessen in einem bekannten Restaurant vor einer wichtigen Abstimmung dürfen gezeigt werden, denn sie sind nicht rein privat.

Karlsruhe/Berlin - Das Recht von Politikern auf Privatsphäre hat seine Grenzen: An Fotos von Klaus Wowereit in der „Bild“-Zeitung, die ihn in seiner Zeit als Berliner Regierungschef beim Abendessen in einer Promi-Bar zeigen, gibt es nichts zu beanstanden. Das entschied der Bundesgerichtshof (BGH) am Dienstag in letzter Instanz. Die Richter stuften die Bilder als Zeugnisse der Zeitgeschichte ein. Damit hat das Informationsinteresse der Öffentlichkeit Vorrang.

 

Der Streit drehte sich um Aufnahmen des SPD-Politikers in der Berliner „Paris Bar“, einem bekannten Prominenten-Treff. Der Fotograf hatte die Bilder im Januar 2013 von draußen durch die Scheibe gemacht - am Abend vor einem Misstrauensantrag im Abgeordnetenhaus gegen Wowereit wegen der Pannen beim Bau des Hauptstadtflughafens BER.

Die „Bild“ betextete die Fotos in ihrer Berlin-Ausgabe unter anderem mit den Worten, Wowereit wirke vor der Abstimmung „ersichtlich entspannt“ und genehmige sich einen Drink. Das wollte der heute 62-Jährige nicht auf sich sitzen lassen: Er klagte auf Unterlassung - vor den Berliner Gerichten zunächst auch mit Erfolg.

Hochpolitisches Ereignis am Vorabend

Die Karlsruher Richter sehen die Sache jetzt anders. Zwar sei das Abendessen für sich genommen eine private Situation. Es habe aber „am Vorabend eines hochpolitischen Ereignisses“ stattgefunden, begründete der Vorsitzende Richter Gregor Galke die Entscheidung. In diesem Zusammenhang sei die Veröffentlichung der Fotos zulässig, auch ohne Einwilligung. Sie zeigten, wie Wowereit mit der hohen Belastung umgehe, dass seine politische Karriere womöglich bald zu Ende sei.

Als Regierender Bürgermeister habe er außerdem nicht ernsthaft damit rechnen können, an so einem Abend in einem bekannten Restaurant unbeobachtet zu bleiben. Die Richter schauten auch darauf, mit wem Wowereit zu Abend aß: Mit am Tisch saßen der Chef der Modemesse „Bread & Butter“, Karl-Heinz Müller, und dessen Frau. Die Vermietung des stillgelegten Flughafens Tempelhof zu Vorzugsbedingungen an die Messe hatte damals ebenfalls für heftigen Streit gesorgt. Auch das macht das Abendessen für den BGH eine Spur weniger privat.

Wowereits Anwalt Christian Schertz nannte das Urteil „in seinen Folgen fatal“. „Es erklärt faktisch Politiker zu Freiwild, da man sie in Zukunft in jedem privaten Moment abbilden darf. Hauptsache, man schreibt einen Satz darunter, der irgendeinen vermeintlichen Bezug zur Öffentlichkeit hat“, teilte er mit und kündigte an, die Möglichkeiten einer Verfassungsbeschwerde zu prüfen.

Der Springer-Verlag begrüßte das Urteil. Es sei „auch ein Signal an die deutsche Gerichtsbarkeit, die Berichterstattungsfreiheit der Presse künftig stärker zu respektieren“, erklärte ein Sprecher.