Die Schallplatte ist zurück. Oder besser, sie war nie weg. Der einzige Unterschied, den das Vinyl-Revival vielleicht macht: Nachdem die Schallplatte die Herzen der Sammler gewonnen hat, taugt sie jetzt auch zum Kunstobjekt.

Digital Desk: Jan Georg Plavec (jgp)

Stuttgart - Die Schallplatte ist zurück. Oder besser, sie war nie weg. Der einzige Unterschied, den das Vinyl-Revival vielleicht macht: Nachdem die Schallplatte die Herzen der Musikliebhaber und Sammler gewonnen hat, taugt sie jetzt auch zum Kunstobjekt.

 

Ob das ein ganz neuer Trend ist, kann an dieser Stelle nicht geklärt werden. Aber die Ausstellung „Wunderkammer Vinyl“ in der Stuttgarter Galerie Oberwelt unweit des Schwabtunnels zeigt vor allen Dingen Arbeiten aus den vergangenen zwei Jahren. Das Verbindende: alles hat mit Vinyl zu tun.

Wobei es Musik- und Plattenfans sicher Überwindung kostet, den zweiten Raum der Galerie zu betreten. Der ist nämlich zur Gänze mit Schallplatten ausgelegt. Und auf Musik, erst recht auf in Plattenform gebrachter Musik, trampelt man doch nicht herum!

Schallplatten auf dem Boden

Marc Olbrich gibt zu, dass er beim Konzipieren der Gruppenschau schon auch ein wenig Skrupel hatte. Platten auf dem Boden, das würde er bei sich daheim natürlich nie machen. Aber in der Oberwelt ist das okay, weil: zum einen ist das Kunst, zum anderen lagen just jene ausgelegten Platten zuvor jahrelang in irgendeinem Stuttgarter Keller herum. Sie kamen auf dem Stuttgart Label Onitor heraus, das sich auf elektronische und Lounge-Musik spezialisiert hatte. Von dem Label gibt es noch eine (quasi abgeschaltete) Website – und eben die Platten in der Oberwelt, auf dem Boden, in Kartons im Eck und auch an die Wand gelehnt. Für einen Euro das Stück kann man sie in der Ausstellung kaufen.

Der Ausstellungsmacher Marc Olbrich ist selbst Musiksammler. An Vinyl schätzt er das „taktile Auflegen“, wie er sagt. „Und man legt heute mehr Wert auf Gestaltung“, erklärt Olbrich. Als Beispiele nennt er etwa die Rockabilly-Plattencover von Johnny Montezuma oder die zwischen Tonträger und Kunstwerk zu verortenden Platten von Corvo Records. Beides gibt es in der Oberwelt zu sehen.

Und natürlich auch Werke, die über das reine Gestalten von Schallplatten hinausgehen. „Spiel mir das Lied von der Welt“ von Martin Gut beispielsweise ist ein Tonabnehmer, der über einen Globus fährt und dabei Kratzgeräusche erzeugt – eben das „Lied von der Welt“. Außerdem gibt es verschiedenste Plattenspieler zu sehen, teilweise in Verbindung mit einem Daumenkino oder an ein Sound-System erinnernd (wie das Werk des Solitude-Stipendiaten Michl Schmidt) und unter der Decke hat Michael Paukner von Second Hand Records einige Memorabilia aufgehängt. „Ja, die Ausstellung hat einen starken Stuttgarter oder zumindest süddeutschen Bezug“, sagt Kurator Marc Olbrich.

Was ist deine Position zu Vinyl?

So bietet die Ausstellung in der Oberwelt Anlass, seine eigene Position zur Schallplatte zu formen. Vergangenen Freitag wurde schon über Plattenspielertechnik geredet und darüber, wie man Musik für eine Vinyl-Veröffentlichung mastert. Marc Olbrich kann auch berichten, dass die Wiedergabe von auf Schallplatten gespeicherter Musik auch technisch nachweisbar für das Ohr besser klingt. In der Oberwelt diskutiert man gern über den Wert, den auf Vinyl gepresste Musik hat; über die Abgrenzung zu dem ebenfalls haptischen, aber eben weniger wertigen Medium CD und das Gefühl, das sich einstellt, wenn man Vinyl aus der Hülle holt, es auf den Plattenteller legt und die Nadel zum äußeren Plattenrand führt.

Natürlich zieht die Ausstellung vor allem Vinyl-Freunde an. Aber eben auch Musiker oder generell Leute aus dem Musikgeschäft. „Plattenverkäufe generieren ja auch Einnahmen“, weiß Marc Olbrich. Trotz des Vinyl-Revivals: Zu einer Massenbewegung werde die Schallplatte nicht mehr werden, wohl aber würden sich die Plattenverkäufe „auf einem gewissen Niveau stabilisieren“, glaubt der 45-Jährige. Und wenn es die Schallplatte schon in die Galerien und Museen schafft, muss man sich über ihren Fortbestand zunächst keine Sorgen machen.

Die Galerie Oberwelt hat immer montags zwischen 21.30 und 24 Uhr geöffnet und ansonsten nur auf Voranmeldung. Für die Vinyl-Schau veranstalten die Betreiber aber eine Finissage: Diesen Freitag, 28. März, öffnet der Kunstraum von 19 bis 21 Uhr. Es gibt Musik, Getränke – und ganz viel Plattenkunst.