Goßer Besucherandrang und sprachliche Barrieren stellen die Kliniken in der Region Stuttgart vor neue Herausforderungen im Umgang mit ausländischen Patienten. Helfen sollen neue Seelsorger und Übersetzer. Aber auch deutsche Patienten haben manchmal Sonderwünsche.

Ludwigsburg - Bei der Geburt eines Kindes und beim Tod eines Patienten sei der Unterschied zwischen einheimischen und ausländischen Besuchern am größten, sagt Silvia Hooks, die Direktorin für Pflege- und Prozessmanagement am Klinikum Ludwigsburg. Und dieser Unterschied lässt sich messen. Während deutsche Patienten, so Hooks, eher vereinzelt Besuch bekommen, kann es bei ausländischen und insbesondere bei muslimischen Patienten vorkommen, dass bis zu 70 Personen gleichzeitig einen Krankenbesuch abstatten wollen. „Das kann den Klinikablauf behindern, wenn so viele Personen auf einmal auf dem Gang und im Krankenzimmer stehen“, sagt die Ärztin Gülay Celiktürk, die selbst türkische Wurzeln hat. „Aber der Krankenbesuch ist im Islam eine soziale Pflicht, das können wir schlecht unterbinden.“ Meist bitten die Pfleger und Ärzte die Angehörigen höflich darum, nach draußen zu gehen.

 

Der Imam spendet Trost

Mit den Flüchtlingen ist auch die Zahl der ausländischen Patienten an deutschen Kliniken gestiegen – was diese vor neue Herausforderungen stellt. Seit etwa einem Jahr helfen am Klinikum Ludwigsburg drei ehrenamtliche muslimische Seelsorger und ein Imam bei der Betreuung. „Der Imam genießt in der islamischen Gesellschaft ein hohes Ansehen“, sagt Celiktürk. „Er rezitiert Stellen aus dem Koran um die Angehörigen zu trösten und verweist bei zu vielen Besuchern auch gerne auf die nächstgelegene Moschee.“ Die ehrenamtlichen Seelsorger sind rund um die Uhr erreichbar und kommen bei Bedarf auch in die Klinik. „Sie sind eine tolle Brücke zwischen den Patienten und dem Personal“, sagt Celiktürk.

Weitere Notfallseelsorger für das Klinikum seien derzeit in der Ausbildung, sagt Cem Ercetin. Der Pfleger und Betriebsrat ist Teil des Interkulturellen Integrationsteams am Klinikum. Das Team, bestehend aus Klinikmitarbeitern aus unterschiedlichen Ländern und Religionen, trifft sich etwa alle drei Monate zu einem Austausch über kulturelle und religiöse Aspekte. Vor einiger Zeit war ein Dozent zu Gast, der einen Vortrag über Sterben und Kranksein im Islam gehalten hat.

„Die sprachliche Barriere ist das größte Problem“

Bei kulturellen Fragen stehen die Mitglieder des interkulturellen Teams ihren Kollegen zur Seite. „Manchen Patienten hilft es schon, wenn sie in ihrer Muttersprache angesprochen werden“, sagt Ercetin. Aber nicht immer steht ein Muttersprachler zu Verfügung. „Bei Patienten mit Migrationshintergrund ist die sprachliche Barriere das größte Problem“, sagt Gülay Celiktürk, die in der Neurologie und Psychiatrie arbeitet. „Wenn sich die Patienten nicht ausdrücken können und ihr Leiden nicht mitteilen, erschwert das meine Arbeit.“ Bilderbücher mit den wichtigsten Informationen in acht verschiedenen Sprachen, eine Dolmetscherliste mit 40 Übersetzern aus der Umgebung und eine spezielle App, die simultan übersetzt, sollen dieses Problem lösen.

Die Sprache ist jedoch nicht die einzige Barriere: Einige Patienten und Angehörige können sich gegenüber den Ärzten und Pflegern nicht öffnen – weil sie glauben, dass ihre Bedürfnisse nicht verstanden werden, da sie einem anderen Kulturkreis angehören. „Das kann zum Beispiel bei der Beratung zu lebensverlängernden Maßnahmen der Fall sein“, sagt Celiktürk. Auch hier habe sich die Hilfe des Imams und der Seelsorger bewährt.

Auch in anderen Bereichen hat die Klinik bereits agiert. Seit vergangenem Sommer ist die ehemalige Klinikkapelle ein sogenannter Raum der Stille, schmucklos und religionsübergreifend, sodass jeder hier sein Gebet verrichten kann, ob Muslime, Christen oder Juden. Auch für Konfessionslose soll dies ein Ort der Ruhe und Einkehr sein.

Auch deutsche Patienten haben Sonderwünsche

„Ausländische Patienten sind ja kein neues Phänomen“, sagt Hooks. „Wir arbeiten ständig daran, neue Lösungen für den Umgang mit Patienten zu finden.“ In den vergangenen fünf Jahren seien das Angebot und das Interesse an interkulturellen Fortbildungen gestiegen. Einige Präferenzen sind nicht unbedingt kulturell bedingt. „Wir haben seit Jahren eine steigende Zahl an Krankenpflegern. Manche Frauen bevorzugen jedoch weibliches Pflegepersonal, insbesondere beim Waschen“, sagt Hooks. „Solchen Wünschen versuchen wir zu entsprechen.“

Manchmal sei es gar nicht schwer, den Patienten entgegenzukommen, sagt Celiktürk. Einer ihrer Kollegen habe in vielen verschiedenen Sprachen zwei Wörter gelernt: Hallo und Danke. Für viele Migranten sei es beruhigend, ihre eigene Sprache in einer stressigen Situation zu hören. „Es geht nicht darum, den Muslimen und Migranten Sonderrechte einzuräumen“, sagt Celiktürk. „Sondern darum, dass sich die Patienten in der Klinik gut aufgehoben und gut versorgt fühlen.“