Jürgen Sundermann ist die Trainerlegende des VfB Stuttgart. Er führte den Verein zurück in die Bundesliga und etablierte ihn dort. Mit dem Ehrentitel Wundermann kann der 76-Jährige aber überhaupt nichts anfangen, erzählt er im Zahnradbahngespräch.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Peter Stolterfoht (sto)

Stuttgart - So motiviert ist bisher noch kein Fahrgast ins Zahnradbahngespräch gegangen. „Dat wird klasse heute“, meint Jürgen Sundermann, als er am Marienplatz in die Zacke steigt, dazu ballt er erst die Faust und streckt dann die Hand zum Gruß aus: „Kannste übrigens Jürgen zu mir sagen.“ Der 76-Jährige, das wird schnell klar, ist sich treu geblieben. Zunächst einmal sprachlich. 40 Jahre Hauptwohnsitz Leonberg sind tatsächlich spurlos an ihm vorübergegangen. Der gebürtige Mülheimer spricht feinstes Ruhrdeutsch. Und ein Motivator wie früher ist die Stuttgarter Trainerlegende immer noch. Auch wenn es jetzt nur gilt, einen Journalisten und sich selbst auf das Gespräch über die Höhe- und Tiefpunkte in seinen Leben einzustimmen. „Einmalig wird dat, verstehste?“ Klar.

 

Jürgen Sundermann ist ein durch und durch positiver Mensch. „Was habe ich in meinem Leben für ein Glück gehabt“, sagt er, schaut aus dem Zahnradbahnfenster und sieht in der Hauptstätter Straße das Schild mit der Aufschrift „Ratzer Records“, das zum legendären Laden von Karl-Heinz Ratzer gehört. „Sehr netter Kerl“, sagt Jürgen Sundermann, der in dessen Geschäft schon viele Platten gekauft und viel geplaudert hat. Die Schallplatten muss Jürgen Sundermann für seinen Sohn Marc besorgen, der als Jurist in Brüssel lebt und dort offenbar nicht an hochwertige Vinylware kommt. „Ich habe eine tolle Familie“, sagt Jürgen, dessen jüngerer Sohn Leif Sportjournalist ist. „Und ohne meine Frau wäre ich sowieso aufgeschmissen. Ich habe ja von nichts ne Ahnung, nur vom Fußball.“ Seine Ehe mit der einstigen Assistentin von Dalli-Dalli-Fernsehstar Hans Rosenthal sei für ihn wie ein Sechser im Lotto, sagt Jürgen Sundermann und erklärt auch gleich, warum: „Heiraten ist ein Glückspiel, man kann den anderen da doch noch gar nicht so gut kennen, um zu wissen, ob das auch hinhaut. Bei mir ist es gut gegangen, wie so vieles in meinem Leben.“

Sportliche Höhepunkte

Und dann spricht Jürgen Sundermann über die sportlichen Höhepunkte in seinem Leben, die er aber allesamt nicht besonders wichtig nimmt. Dass er als Fußballer 1960 ein Länderspiel für Deutschland gemacht hat – „geschenkt“, sagt er. „Für die ganz große Spielerkarriere habe ich doch viel zu unprofessionell gelebt.“ Als Student an der Sporthochschule in Köln und als Spieler von Rot-Weiß Oberhausen hätten ihn doch die „Mädla“ – der einzige schwäbische Begriff übrigens, der Eingang in Jürgen Sundermanns Sprachgebrauch gefunden hat – viel zu sehr interessiert. Über Victoria Köln, wo Hennes Weisweiler zu seinem großen Trainervorbild wurde, landete der Mittelfeldspieler bei Hertha BSC – und nach der Saison 1965/66 im Zuge einer Gastspielreise in Singapur. Dorthin kam dann die Nachricht, dass die Hertha wegen Lizenzverstößen zwangsabsteigen muss aus der Bundesliga. „Und nu?“ Jürgen Sundermann wechselte in die Schweiz und spielte dort noch für Servette Genf und den FC Basel. In Genf begann er auch seine Trainerkarriere, bis 1976 der Hilferuf des damaligen Zweitligisten VfB Stuttgart kam.