Der „ZDF-Fernsehgarten“ mit Andrea Kiewel wird dreißig. Die Sendung ist wie eine verrostete Hollywoodschaukel: Sie quietscht zwar schon ein bisschen. Aber sie schaukelt noch.

Stuttgart - Das „Finca-Hähnchen mit den Düften Gran Canarias“ ist ein Gedicht. Knusprig braun gebrannt und gegart in Ingwer und Limettensaft - lecker! Aber was hat dieser Vogel im „Fernsehgarten“ (ZDF) verloren? Diese Frage stellen sich wahrscheinlich nur Langschläfer oder Menschen, die das sonntägliche Gipfeltreffen der Schlagerfreunde noch nie gesehen haben. Denn der „Fernsehgarten“ ist zwar noch immer derselbe Gemischtwarenladen, den das ZDF vor dreißig Jahren konzipiert hat. Eine „klingende TV-Illustrierte“ , in denen Leserinnen jenseits der Wechseljahre alles finden, was sie interessiert, Mode, Schönheit, Typenberatung, Gesundheitstipps und Kochen, ganz viel Kochen.

 

Die Sendung ist mit der Zeit gegangen und wird regelmäßig auch dort ausgestrahlt, wo ihre Zuschauer gerne Urlaub machen. Also am Lago Maggiore, in den Salzburger Bergen oder auf den Kanaren. Und in dieses formatgewordene Bekenntnis zu Kraut und Rüben passt so ein Hähnchen aus Gran Canaria wunderbar hinein.

Mit Musik geht sowieso alles besser. Böse Zungen behaupten zwar, im „Fernsehgarten“ würden nur No-Names auftreten, aber das ist gelogen. Helene Fischer war schon da, Andrea Berg oder Hansi Hinterseer. Mary Roos, die Grande Dame des deutschen Schlagers, hat dort fast Wurzeln geschlagen: Sie ist schon 28 Mal im „Fernsehgarten“ aufgetreten.

Nur jeder vierte Zuschauer ist unter 49

Musikalisch hat sich die Sendung geöffnet. Nicht ohne Stolz verweist das ZDF darauf, dass sich auch internationale Stars wie Kylie Minogue, Katie Melua oder Amy McDonald in dieser Bundesgarten-Schau verirrt, pardon, verlustiert haben. Knapp zwei Millionen Zuschauer schalten jeden Sonntag nach dem Frühstück ein, nur jeder vierte ist unter 49. Man kann also sagen, die Sendung ist wie eine verrostete Hollywoodschaukel. Sie quietscht zwar schon ein bisschen, aber sie schaukelt noch.

Das ist erstaunlich. Denn der Mix aus Themen ist genauso beliebig ist wie die Musik. Moderiert wird die Sendung obendrein von einer Frau, die immer so künstlich aufgekratzt wirkt, als sei sie gerade barfuß in einen Ameisenhaufen getreten. Die Rede ist von Andrea Kiewel.

Ihre Fans nennen sie „Kiwi“. Man weiß nicht genau, ob das nur eine Abkürzung ihres Nachnamens ist oder auch eine Anspielung auf den gleichnamigen Vogel aus der Familie der Schnepfensträuße. Fakt ist aber, dass „Kiwi“ auch sieben Jahre nach ihrem Comeback immer noch nicht genau zu wissen scheint, wie sie diese Sendung moderieren soll: als Animateurin in einem Ferienclub oder als Krankenschwester in einem Seniorenstift?

Es entbehrt nicht der Ironie, dass diese Mischung aus penetrant guter Laune und Fürsorglichkeit beim Publikum jahrelang gut ankam. Wie gut, das erkannte das ZDF vielleicht erst 2007. Damals setzte der Mainzelmänner-Sender Andrea Kiewel vor die Tür. Es ging um Schleichwerbung. Eine pikante Geschichte. Andrea Kiewel hatte sich in einer ZDF-Talkshow einen Tick zu euphorisch über das Diät-Programm der Weight Watchers geäußert. Gegen Bares, wie sich hinterher herausstellte. Mit 35 000 Euro hatten ihr die amerikanischen Diät-Anbieter den Deal versüßt. Wie glaubwürdig aber kann diese Frau noch eine Sendung moderieren, deren Macher ihrerseits der Schleichwerbung überführt wurden?

Roland Kaiser und DJ Bobo feiern mit

2010 – das ZDF hatte „Kiwi“ wieder reumütig zurückgeholt, nachdem die Quote des Fernsehgartens in den Keller gerutscht war – stand der Sender plötzlich selber am Pranger. Ein anonymer Informant hatte die Medien darauf aufmerksam gemacht, dass das Unternehmen „Pflanzen-Kölle“ dem ZDF Pflanzen und Gartenzubehör im Wert von einer Viertelmillion Euro dafür spendiert hatte, dass die Geschäftsführerin in der Sendung für ihre Gartencenter-Kette werben konnte. Das ZDF sprach lieber von „Produktionshilfen“ und redete sich damit heraus, dass man den Namen des Unternehmens im Abspann eingeblendet hatte. Ein Geschmäckle aber blieb.

Daran musste man jetzt wieder denken, als man die letzten Folgen des „Fernsehgartens“ sah. Andrea Kiewel meldete sich live von der Insel Gran Canaria. Sie war nicht allein. Joachim Llambi, der Richter Gnadenlos aus der RTL-Show „Let‘s dance“, stand ihr zur Seite. In kleinen Einspielern sah man, wie er die Insel erkundete und traumhafte Bilder aus den Bergen mitbrachte. Das kam einem irgendwie spanisch vor. Haben Reiseanbieter dem Sender den Betriebsausflug auf die Kanaren gesponsert?

Beim ZDF wiegelt man ab. Durch die enge Taktung von drei Sendungen seien die Produktionskosten nicht höher als auf dem Mainzer Lerchenberg, heißt es. Und: „Alle Kosten werden vom ZDF getragen.“ Dann steht der großen Sause zum 30. Geburtstag nichts mehr im Weg. Roland Kaiser ist dabei und DJ Bobo und vielleicht sogar Udo Lindenberg. So jedenfalls wünscht es sich Andrea Kiewel. Die Chance, dass der Alt-Rocker es so früh aus den Federn schafft, steht gar nicht so schlecht. Ab sofort beginnt der „Fernsehgarten“ immer erst eine knappe Stunde später, um 11.50 Uhr.

ZDF, 8. Mai, 11.50 Uhr