Ob im ARD-„Tatort“ oder beim neuen ZDF-Samstagskrimi „Die Wallensteins“:Frauen aus Dresden sind als Ermittlerinnen schwer angesagt. Wirkt da das sozialistische Bild von der starken Frau nach?

Kultur: Ulla Hanselmann (uh)

Stuttgart - Dass die sächsische Landeshauptstadt Dresden „Tatort“ war, ist schon ein paar Jahre her. Peter Sodann als Kommissar Ehrlicher und Bernd Michael Lade als sein Kollege Kain ermittelten von 1992 bis 2000 in der Elbstadt, bevor sie nach Leipzig wechselten. Nun rückt in den nächsten Wochen rund um die Frauenkirche wieder ein gebührenfinanziertes Filmteam an, wenn die Dreharbeiten für die neue Dresdner Ausgabe des Sonntagskrimis starten. Zusätzlich zum Ort, der in den letzten Jahren von fernsehkriminellen Machenschaften weitgehend verschont worden ist, weist der vom Mitteldeutschen Rundfunk verantwortete Sachsen-„Tatort“ noch eine Besonderheit auf: Das Ermittlerteam ist weiblich. Alwara Höfels, Karin Hanczweski, und Jella Haase sind die drei Kommissarinnen, die im Elbflorenz auf Verbrecherjagd gehen.

 

Die Chefposition, und das ist nun gendertechnisch weniger rühmlich, ist ein Mann – die Besetzung indes lässt frau darüber hinwegsehen: Der Qualitätsgarant Martin Brambach spielt den Kommissariatsleiter. Wie sich die Hierarchie- und Geschlechterkonstellation dramaturgisch auswirken wird, kann man 2016 begutachten, wenn der erste Dresden-„Tatort“ auf den Schirm kommt. Der Humoranteil, so steht zu vermuten, wird nicht gering ausfallen: Autor der ersten Folge ist der Pointenproduzent Ralf Husmann, Schöpfer von „Stromberg“ und „Dr. Psycho“.

Familienbande in den „Wallensteins“

Der Osten und seine starken Frauen: werden die Erbinnen des sozialistisch geprägten Rollenbilds nun vom deutschen TV-Krimi entdeckt? Könnte man meinen, denn das ZDF kommt der ARD mit einem Dresdner Kommissarinnen-Gespann zuvor, das den Reigen der ZDF-Samstagskrimis erweitert: „Die Wallensteins“, das sind Anja Kling und Lisa Tomaschewsky als gemeinsam ermittelnde Mutter und Tochter. Doch von Gender-Bewusstsein keine Spur. Bei der Entstehung regierte vor allem Pragmatismus, wie ein Statement der Produzentin Regina Ziegler nahelegt: Die Konstellation „Mutter und Tochter in Dresden“, heißt es in der Pressemappe, sei vor allem der Tatsache geschuldet, dass sie einer der wenigen „weißen Flecken“ in der „dicht besiedelten Topografie des deutschen TV-Krimis“ ist. Gibt’s noch nicht, also her damit? Ein entlarvendes Argument. Und es stimmt nicht einmal: Familiär verbandelte TV-Polizisten sind gar nicht selten. So ist Inga Lürsens (Sabine Postel) Vorgesetzte in der Bremer Mordkommission ihre Tochter, während in der ARD-Vorabendserie „Hauptstadtrevier“ gleich die ganze Familie Klug beruflich auf der Polizeiwache zusammenfindet. Und auch Henning Mankell hat ja bekanntlich Wallanders Tochter Linda in die Fußstapfen des Vaters treten lassen.

Gerade die Filmversionen der erfolgreichen Schweden-Krimis sind eine geeignete Folie, um zu erkennen, warum das ZDF-Format so enttäuschend ist. Denn während in den Wallander-Filmen, ob mit Kenneth Branagh oder Krister Henriksson besetzt, die Beziehung zwischen Vater und Tochter nie den Fall dominiert, sondern subtil und wortkarg aufscheint, übertünchen die nicht aufgearbeiteten Familiengeschichten der „Wallensteins“ schlichtweg alles.

Psychoballast aus Frauenzeitschriften

Laut der Produzentin Ziegler war es das Ziel, die „Spannung der Kriminalgeschichte mit der Gespanntheit einer Mutter-Tochter-Geschichte zu verbinden“. Doch was dem Zuschauer offeriert wird, ist ein hoffnungslos überspanntes Krimi-Konstrukt. Denn Bärbel Wallenstein und Kim Tilly sind nicht nur, wie überraschend, charakterlich höchst gegensätzlich angelegt. Die Mutter, gespielt von Anja Kling, bauchgesteuert, bindungslabil, öko-beseelt; Lisa Tomaschewsky als Tochter faktenorientiert, zielstrebig, technikversiert. Nein, die Autoren Christoph Silber und Thorsten Wettcke haben den Heldinnen dazu noch jeden Psychoballast angedichtet, der ihnen vermutlich beim Blättern durch Frauenzeitschriften in die Hände gefallen ist. Womit wir bei folgender Vorgeschichte wären: Bärbel wurde sehr jung Mutter, der Vater verschwindet, Tochter Kim folgt ihm mit sechzehn und bricht, von den Familienverhältnissen traumatisiert, für zehn Jahre den Kontakt mit der Mutter ab. Solange, bis sie sich, auf Anraten ihrer Therapeutin, den „Dämonen der Vergangenheit“ stellt und, in der Zwischenzeit ausgebildete Kommissarin, im Dresdner Morddezernat anheuert, wo ihre Mutter Hauptkommissarin ist. Beim Dienstantritt des Töchterchens fällt Mama aus allen Wolken.

An diesem Punkt setzt der Krimi an. Was sich anschließt, ist ein ermüdendes, von abgegriffenen Sticheleien überbordendes Verbalgefecht zwischen den Frauen – und ein dilettantisch und mit vielen logischen Schwächen konstruierter Fall. Bei einer Gasexplosion in einer Plattenbauwohnung stirbt ein junger Mann, seine Freundin überlebt. Beide waren Chrystal-Meth-Konsumenten. Und ein tschechischer Großdealer gerät ins Visier der Ermittlerinnen.

Gesponsert vom Gaststättengewerbe?

„Dresdner Dämonen“, so der Titel der ersten, von Carlo Rola mit vielen Längen in Szene gesetzten ersten Folge, strotzt dazu nur so von missratenen Eltern-Kind-Beziehungen. Die Eltern des Toten waren in ihrer falsch verstandenen Fürsorge für den drogenabhängigen Sohn gar in die Fußstapfen des „Breaking Bad“-Helden Walter White getreten; der Vater der Überlebenden, der bei der Drogenfahndung arbeitet, versagt auf noch fatalere Weise. Der Samstagabend ist, wenn es um sehenswerte TV-Fiktion aus deutscher Produktion geht, ein dürftig bestelltes Feld. Manchmal ist man versucht zu glauben, ARD und ZDF bekämen vom Gaststättengewerbe Geld, damit ihr Programm den Wirten die Fernsehflüchtigen an die Tresen schickt. Das wird sich mit den „Wallensteins“ nicht ändern.