Hexen-Abend im ZDF: Das Historiendrama „Seelen im Feuer“ erzählt mit aufklärerischer Inbrunst von der Hexenverfolgung in Bamberg vor vierhundert Jahren. Eine Doku liefert die Fakten.

Kultur: Ulla Hanselmann (uh)

Stuttgart - Es ist Juni, doch über den Feldern liegt Frost. Die Bauern schinden sich blaugefroren auf den Äckern, als der junge Arzt Cornelius Weinmann nach Bamberg eilt, weil der Vater im Sterben liegt. Nach dessen Tod bleibt ihm die Rückkehr nach Wien, wo er als Medicus forscht, verwehrt. Stattdessen wird er Zeuge, wie sich der Hexenwahn in seiner rückständigen Heimat Bahn bricht. Seine Pubertätsfantasien bringen einen Vierzehnjährigen dazu, sich als vom Teufel besessen zu wähnen; er löst damit eine Hexenverfolgung im großen Stil aus. Bald zählt auch Cornelius‘ Jugendliebe Johanna zu den Folteropfern im Malefizhaus, denen der Tod auf dem Scheiterhaufen bevorsteht.

 

„Seelen im Feuer“ ist ein ZDF-Historienfilm über die Bamberger Hexenprozesse, die zwischen 1612 und 1632 über das Bistum hereinbrachen; zehn Prozent der Stadtbevölkerung fielen dem grausamen Exzess der Kirchenmachthaber zum Opfer. Ein Geschichtskapitel, das mit erhaltenen Verhörprotokollen und Urteilen außergewöhnlich gut dokumentiert ist; dies hatte sich Sabine Weigand in ihrem gleichnamigen historischen Roman, der als Vorlage diente, zunutze gemacht.

Fakten und Fiktion werden gemischt

Historisch verbürgte Figuren sind etwa jener Hansi Moorhaupt, der, obwohl noch ein Kind, von den Hexenkommissaren zum „Brennen“ verdammt wurde, wie auch der von Wolllust wie Aberglaube gerittene Fürstbischof von Dornheim (Paulus Manker) sowie dessen intrigant-fanatischer Weihbischof Förner (Alexander Held), der weiß, wie die Kirche auch finanziell und politisch vom Hexenwahn profitieren kann. Fiktiv sind dagegen beide Hauptfiguren; sie stehen „exemplarisch für die Entwicklung vom unfreien, abhängigen Diener zu einem aufgeklärten Individuum“, so Annette Hess, die zusammen mit Stefan Kolditz das Drehbuch verfasst hat. Mark Waschke als Cornelius Weinmann, dessen aufgeklärte Vernunft das Geschehen als verbrecherisches Unrecht erkennen muss, dient dabei als Identifikationsanker für die Zuschauer; die Apothekerin Johanna, gespielt von Silke Bodenbender, hingegen ist noch zwischen Aberglaube und Wissenschaft hin- und hergerissen.

Der Regisseur Urs Egger und das Autorenduo versuchen also, Fakten und Fiktion so zu mischen, dass kein Grusel-Schocker, sondern seriöse Unterhaltung dabei herauskommt. Das gelingt über weite Strecken, dennoch mutet es ein bisschen lehrmeisterlich an, wie die sozialhistorischen Hintergründe herausgearbeitet werden: der Umbruch vom Mittelalter zur Neuzeit, der Kampf des Katholizismus gegen Reformation und erstarkendes Bürgertum sowie eine mehrjährige Kaltwetterperiode, die von der Not leidenden Bevölkerung als Werk des Teufels interpretiert wurde.

Darsteller mit versierter Schauspielkunst

Die Macher legitimieren die Wahl ihre Stoffs aber noch auf einer zweiten Ebene, indem sie universelle Mechanismen von Ausgrenzung und Verfolgung offen legen: Existenzangst, Machtmissbrauch, Fanatismus, Opportunismus, Denunziation greifen wie Räder ineinander und halten das Mahlwerk der Vernichtung am Laufen. Diese Motive sind ehrenwert, die Umsetzung handwerklich anständig, doch beides schafft die Frage, warum man 2015 einen Film über die Hexenverfolgung vor vierhundert Jahren sehen muss, erstmal nicht aus dem Kopf. Das gelingt erst in der zweiten Hälfte des Films, nachdem die stimmige Ausstattung und die an Rembrandt und Vermeer erinnernde Licht- und Farbgebung einen optischen Sog entwickelt haben; den Rest erledigt die versierte Schauspielkunst der Darsteller. Mark Waschkes aufrechter Zorn überträgt sich auf den Zuschauer; Silke Bodenbender gibt ihrer Johanna als komplexe Frauengestalt Tiefe.

Immerhin halten die Autoren die Liebesgeschichte zwischen den beiden einigermaßen in Zaum, am Ende franst der auf historische Einordnung gerichtete Fokus aber aus. Da verflacht „Seelen im Feuer“ zum Mantel- und Degen-Film, wenn Cornelius nach Wien stürmt, um die Prüfung der Hexenprozesse zu erreichen. Als er, ausgestattet mit dem kaiserlichen Mandat, zurückkehrt, will der Weihbischof dennoch die letzten „Hexen“ im Schnellverfahren beseitigt sehen. Und so stehen die armen Seelen Schlange, um hinter einer Mauer ihre Häupter unters Hackebeil zu legen. Köpfen im Akkord: da fällt das Historien-Infotainment zum reißerischen Schauer-Movie ab.