Das Festprogramm steht schon: In diesem Jahr bietet das Erfahrungsfeld der Sinne viele Aktionen, um sein zehnjähriges Bestehen zu feiern. Dieter und Philipp Einhäuser leiten den Freizeitpark, der als Werkstatt für behinderte Menschen betrieben wird.

Welzheim - Ein Ort, um alle Sinne zu entfalten – das ist die Idee, die hinter dem anthroposophisch orientierten Erlebnispark Eins + Alles steht. Temporeiche Fahrgeschäfte gibt es nicht, hier stehen Besuchern andere Abenteuer bevor. Etwa eine Tour durch einen Hangelwald oder einen Dunkelgang. Manch einer wächst hier zum Riesen oder schrumpft zum Zwerg – aber nur vorübergehend. Dieter und Philipp Einhäuser, Vater und Sohn, sprechen über ihr gemeinsames Projekt.

 
Herr Einhäuser, dieser Tage steht manchmal unangemeldet Besuch aus China an der Pforte und will Sie oder Ihren Sohn sprechen. Wie kommt’s?
Dieter Einhäuser: Unser Erfahrungsfeld der Sinne hat sich als ein echter Exportartikel entpuppt. Wir beide sind schon viermal in China gewesen, um verschiedene Initiativen zu beraten. Am konkretesten ist ein Projekt in Peking, das auf einer Fläche von acht Hektar entstehen soll und somit größer als unser Erfahrungsfeld Eins + Alles in der Laufenmühle wäre.
Wer nach China reist, kann irgendwann ein Eins + Alles im XXL-Format erleben?
Dieter Einhäuser: Nein, wir wollen nicht, dass es gleich aussieht. Die Chinesen haben eine rund 6000 Jahre alte Kultur, da können wir nicht kommen und sagen, wie es geht. Wir wissen, wie man ein Erfahrungsfeld baut und betreut, sind aber keine Experten für China. Wir versuchen, im Dialog herauszufinden, wie ein Erfahrungsfeld für China aussehen muss. West und Ost müssen sich da treffen.
Philipp Einhäuser: Bei den Gesprächen stellen wir fest: Viele Chinesen fühlen sich zerrissen durch Kommunismus und Turbokapitalismus. „Die chinesische Seele ist krank“, das hören wir immer wieder. Oft fragen die Leute, welchen therapeutischen Nutzen diese oder jene Station im Erfahrungsfeld hat, beispielsweise wie sie ein Herzleiden kurieren können und was gegen Depressionen hilft. Wir müssen uns erst in dieses Denken einstimmen.
Wäre der Export der Erfahrungsfeld-Idee nicht ein lukrativer Geschäftszweig?
Dieter Einhäuser: Zugegeben, der Gedanke war kurz verlockend. Aber dann haben wir gemerkt: Das sind nicht wir. Es wäre schön, wenn sich die Idee auf der Welt verbreitet, aber das Ziel ist, dass die Leute das Projekt selbst umsetzen, dass Menschen sich rückbesinnen und auf sich achten.
Sie sind 2002 als Sprecher des Vereinsvorstands in die Laufenmühle gekommen. Was haben Sie vorgefunden?
Dieter Einhäuser: Die Einrichtung war in keiner guten Verfassung. Sie bestand seit den 1950er Jahren als Wohnort und Schule. Der behütete Standort inmitten der Natur war bewusst gewählt, eine Reaktion auf die Nazizeit, als behinderte Menschen vergast wurden. Der Schutzgedanke war sehr wichtig. Als ich kam, gab es noch sieben Schüler. Man kann sagen: Das war ein Auslaufmodell, es fehlten Impulse von außen. Der Landeswohlfahrtsverband fragte: Wie wollt ihr Menschen Teilhabe ermöglichen an einem Standort wie diesem? Und es stellte sich die Frage, ob die von einem Verein getragene Einrichtung in ökonomischer Hinsicht überleben kann.
Sie sollten also ein Impulsgeber sein . . .
Die Einrichtung brauchte eine große Idee, die aus der Zukunft einen Sog erzeugt. Eine, bei der die Mitarbeiter oder zumindest ein großer Teil sagt: Das klingt gut. Ich hatte damals ein Erfahrungsfeld der Sinne in Wiesbaden besucht und fand es gut. So kam die Idee.
Sie mussten Überzeugungsarbeit leisten – im Verein und bei den Eltern. Und Sie brauchten einen Geldgeber.
Wir haben die GLS-Bank gefunden. Dort war man zwar nicht gleich Feuer und Flamme, aber nach anderthalb Jahren war klar, dass wir zwei Millionen Euro bekommen. Ab da haben wir gearbeitet wie die Pferde. Unser Ziel für das Eröffnungsjahr 2007 waren 13 000 Besucher. Es kamen 17 000, da waren wir total glücklich.
Welche Zahl peilen Sie für 2017 an?
Wir rechnen mit 100 000 Besuchern.
Auf dem Parkplatz sieht man immer verschiedenste Autokennzeichen . . .
Philipp Einhäuser: Wir sind selbst erstaunt, woher unsere Besucher kommen. Das Einzugsgebiet der regelmäßigen Gäste, der Löwenanteil sind Familien mit Kindern, bewegt sich bei etwa 50 bis 100 Kilometern rundum. Die meisten Besucher wissen gar nicht, dass wir eine Behinderteneinrichtung sind und das finden wir gut. Die Leute sollen kommen und einen schönen Tag erleben. Und dazu gehören auch Begegnungen mit behinderten Menschen.
Für die Bewohner hat sich viel geändert. 40 von ihnen sind mittlerweile nach Welzheim gezogen. Wie finden Sie das?
Philipp Einhäuser: Wenn man erst mal eine Tür aufgemacht hat, setzt man immens viel in Gang. Wer hier vor zehn Jahren in der Versenkung gelebt hat, spaziert heute ganz selbstverständlich durch Welzheim und geht Eis essen. Unser ambulant betreutes Wohnprojekt in der Bahnhofstraße ist ein Volltreffer, die Leute sind happy dort.
Es stehen aber noch mehr Bauprojekte an?
Dieter Einhäuser: Ja, wegen der neuen Landesheimbauverordnung müssen wir in erheblichem Umfang bauen. 62 Bewohner leben noch hier unten in der Laufenmühle, vielleicht bauen wir ein weiteres Haus in Welzheim, oder wir bauen hier komplett neu. Das ist aber noch nicht spruchreif.
Philipp Einhäuser, das inklusive Tanzprojekt Carmina im Jahr 2013 war Ihr Baby und hat enormes Interesse auf sich gezogen. Gibt es einen Nachfolger?
Unsere Bewohner wünschen sich das. Wir haben den Tänzer und Choreografen Eric Gauthier gefragt und planen für das Jahr 2019 ein Projekt, das vielleicht noch größer wird als Carmina, mit Vorstellungen im Theaterhaus Stuttgart und in der Killesberg-Arena.

Senior
Dieter Einhäuser, Jahrgang 1955, ist geschäftsführenden Vorstand und seit 2002 in der Einrichtung tätig, die vom Verein Christopherus Lebens- und Arbeitsgemeinschaft als Werkstatt für behinderte Menschen betrieben wird. Von Beruf Kaufmann und Heilerziehungspfleger, arbeitete er zuvor beim Ökotextil-Versandhändler Hess-Natur.

Junior
Philipp Einhäuser, Jahrgang 1983, hat Ethnologie und Philosophie studiert und von 2010 an die Pressearbeit der Einrichtung aufgebaut. Seit 2014 ist er Leiter des Erfahrungsfelds.

Programm
Ob Fuß-Glückstag am 1. Mai, Sommerfest am 9. Juli, neue Landart-Stationen, Bienentag am 6. August oder ein Workshop, um selbst einen Glücksduft zu kreieren – die Auswahl ist riesig.