Bekanntes, Neues und Ungewohntes: Die zehnte Auflage der Feuerbacher Kulturnacht zog am vergangenen Samstag die Besucher wieder in ihren Bann.

Feuerbach - Noch ist es früh für eine Kulturnacht, auch wenn einige Einrichtungen schon früher ihre Pforten geöffnet haben: Im Sozialkaufhaus Fairkauf zaubert schon der Quacksalber Dr. Marrax. Und in der Friedenskirche hat sich bereits der Gospelchor Rejoyce warmgesungen. Die evangelisch-methodistische Gemeinde ist schon seit Anfang an mit dabei und feiert also ebenfalls ihre 10. Kulturnacht. Zu Beginn hatte es auch Ausstellungen und Anderes in der Kirche gegeben, aber der Gospelchor, ein offenes Angebot auch für Nicht-Gemeindemitglieder, habe sich klar als Renner herauskristallisiert, erklärt Pastor Gerhard Bauer. „Das Tolle ist, dass Sänger dazugekommen sind, die ursprünglich als Zuhörer da waren.“

 

Nun aber hinüber zur Stuttgarter Straße, wo der Shuttlebus seine Runden zieht. Er ist für die jenseits der Bahnlinie gelegenen Kulturorte wichtiger denn je, wie an diesem Abend noch öfter anklingen wird: „Wir hatten überlegt, vom Bahnhof aus zu Fuß in die Hohnerstraße zu gehen“, erzählt ein Mitfahrer in Sachen Kulturnacht, „aber man kommt vor lauter Baustelle ja gar nicht auf die andere Seite“.

Unbekannte Gefilde

Doch auch die Busfahrt führt nun in unbekannte Gefilde: Zum Haltepunkt Tiefbunker rangiert der Fahrer gekonnt durch sonst unzugängliche Winkel – „hier war ich noch nie!“, sagt ein Passagier erstaunt.

Oben in der Hohnerstraße liegt in den frühen Abendstunden ein Schwerpunkt der Kulturnacht: Im „zwischenKunst Schauraum“ gibt es die Ausstellung „Schwaben – angekommen im Südwesten“, die ein Multikulti-Ländle feiert und in der Fotograf Wolf-Peter Steinbeißer etwa dokumentiert, was Einwanderer aus ihren Heimatländern mitgebracht haben. Einen Stock tiefer laden Eva und Georges Recordon zum Atelierrundgang: Sie präsentiert expressive Mischtechniken mit viel Rot, er hat hingegen in seinen Fotografien verblüffende nächtliche Impressionen festgehalten. Für beide ist es die erste aktive Teilnahme an der Feuerbacher Kulturnacht: „Ich finde es toll, wie sich die Kultur in Stuttgart entwickelt hat“, sagt Georges Recordon, „wir freuen uns, dass wir ein Teil davon sein dürfen“.

Mit Fortschreiten der Kulturnacht ist Entscheidungsfreude Trumpf, weil die meisten Veranstaltungen leider wieder zwischen 19 und 20 Uhr beginnen. Zwei der Mitreisenden im Shuttlebus haben die Krimi-Lesung mit Autor Frank Rebitschek sowie eine Meditation zu Werken der Künstlerin Antje Hassinger ins Auge gefasst – noch sind sie sich uneins. Andere sind auf dem Weg ins Produktionszentrum, wo es an diesem Abend experimentellen Tanz gibt: „Keine Ahnung, was das ist“, sagt eine Feuerbacherin: „Aber das ist doch der Sinn der Kulturnacht, dass man mal was Neues ausprobiert, oder?“

Kontrastprogramm zum quirligen Treiben

Im Gemeindesaal von St. Josef beginnt ein Kontrastprogramm zum quirligen Treiben draußen: „Was mir das Leben erzählt“ heißt die „Begegnung für Sprecher, Flöte, Klarinette und Zuspielung“, die Kantor Detlef Dörner eigens für die Kulturnacht aus Eigenkompositionen und Texten des chinesischen Dichters Tao Yuanming zusammengestellt hat: Die mitten im Zuschauerraum positionierten Musiker lassen einen abstrakten, wunderbar dreidimensionalen Klangraum entstehen, in den hinein Sprecher Johannes Lange von der Sehnsucht nach der Heimat rezitiert.

Einige Straßen weiter rauscht indessen das Leben: Schnäppchen werden bei der langen Einkaufsnacht gejagt, in der Bücherei heizt die Rockabilly-Formation „Snake-Bite“ ein. Erwartungsvoll schart sich das Publikum auf der Stuttgarter Straße um Stefanie Fleschutz. „Die ist richtig cool!“, erklärt ein kleiner Junge fachkundig: „Die jongliert mit Feuer.“ Dann legt sie los und zeigt die plakative Seite der Kulturnacht: Spektakuläre Feuerschweife und Lichteffekte, wabernde Nebel, dramatische Musik, alles da.

Und mit einem Mal ist schon wieder Zeit für die so genannte Nachtschicht, also für die Veranstaltungen, die zu vorgerückter Stunde stattfinden. Im Satyagraha-Kulturzentrum setzen Sängerin Margarete E. Klotz und Pianistin Hildegund Treiber mit ihrem Melodramen-Programm einen hinreißenden Schlusspunkt: Gerade segelt Friedrich Schillers „Handschuh“ knitz und voller musikalischer Anspielungen in die Löwen- und Tigergrube. So verklingt die 10. Kulturnacht und entlässt die Gäste mit viel Vorfreude auf das kommende Jahr in die Frühlingsnacht.