Ein frustrierter Angestellter hat die Standards veröffentlicht, nach denen Inhalte bei Facebook zensiert werden - von Sexspielzeug bis Bombendrohung.

Digital Desk: Jan Georg Plavec (jgp)

Stuttgart - In der Offline-Welt war das so: Wenn einem nicht gepasst hat, was irgendwo abgedruckt war, musste man zumeist gerichtlich dagegen vorgehen. In der Online-Welt im Allgemeinen und auf Facebook im Besonderen, wo ja deutlich mehr veröffentlicht wird als früher in der Offline-Welt, hat man es deutlich leichter: ein Klick, und der unerwünschte Inhalt ist nicht mehr zu sehen.

 

Damit Inhalte, die man nicht selbst erstellt hat, auf Facebook gelöscht werden, muss man auf den „Melden“-Knopf klicken. Allerdings ist ein gemeldeter Beitrag noch kein gelöschter Beitrag. Weil sich noch nicht automatisch überprüfen lässt, ob eine solche Beschwerde statthaft ist und sehr viele Inhalte gemeldet werden, hat Facebook Dienstleister beauftragt, die jede einzelne Meldung begutachten – und, falls ein Beitrag zu Recht gemeldet wurde, ihn gleich löschen.

Was ist "explizit sexuell"?

Einer jener Dienstleister, bei denen laut Facebook jeden Tag „Millionen von Meldungen“ eingehen, ist die US-Firma oDesk. Einer seiner ehemaligen Mitarbeiter heißt Amine Derkaoui. Der Marokkaner, der sich über ein Stundensalär von ein bis vier Dollar sehr ärgerte, hat über das US-Magazin Gawker die Richtlinien für das Löschen gemeldeter Inhalten veröffentlicht. Diese Zensor-Fibel ist nicht weniger als ein Handbuch für eine heile Welt, wie Facebook sie sich vorstellt – ein Onlinenetzwerk ohne explizit sexuelle Inhalte, ohne politischen Radikalismus, ohne schockierende Bilder oder Videos.Zumindest teilweise.

Fetisch ist dem Dokument zufolge in keiner Form erlaubt; eng anliegende Hotpants im weiblichen Schritt („camel toes“) ebenfalls nicht. Wohl aber Sexspielzeug, das gerade nicht im Einsatz ist. Nackte Cartoonfiguren nicht, „art nudity“ aber schon – nachdem es zuvor zu Protesten der Kunstwelt gekommen war. Körperflüssigkeiten (außer Sperma) gehen in Ordnung. Der Kurdenführer Abdullah Öcalan ist tabu, Kurdistan-Flaggen nicht. Die Liste enthält insgesamt fünfzig Punkte und weitere Erklärungen, was etwa als „sexuell explizit“ gilt. So ist es grundsätzlich verboten, sexuelle Aktivitäten en détail zu beschreiben. „Ich will dich ficken“ ist demnach in Ordnung, „Meine Damen und Mädchen, ich brauche eine Pussy“ aber zu explizit.

Die Welt in die Luft sprengen

Facebook veröffentlicht zwar die „Standards der Facebook-Gemeinschaft“, denen sich jeder Nutzer unterwirft. Die von Amine Derkaoui geleakten Richtlinien für externe Facebook-Auftragnehmer sind aber deutlich detaillierter. Die „schwerwiegendsten Meldungen“, so das offizielle Facebook-Statement, werde man „auch weiterhin intern direkt weiterleiten und bearbeiten“. Was besonders schwer wiegt und was nicht, lässt sich den veröffentlichten Richtlinien ebenfalls entnehmen – die Klassifizierung ist offenbar ebenfalls Aufgabe der Dienstleister.

Auch hier gibt der Leitfaden nützliche Hinweise: Sollten die Mitarbeiter eine konkrete Morddrohung entdecken, müssten sie dies sofort melden. Das Statement „Ich werde die Welt dieses Jahr am Neujahrstag in die Luft sprengen“ sei aber keiner weiteren Meldung wert: „Es ist eindeutig nicht möglich, dass der Nutzer dies in die Tat umsetzt.“