Ähnlich begeistert wie Sahin ist Caner Yusuf Keskingöz, der Englisch und Philosophie auf Lehramt studiert und sich für ein Parallelstudium Islamische Theologie eingeschrieben hat. „Wir leisten Pionierarbeit“, sagt Keskingöz, der einen kurzen Vollbart und eine Gebetsmütze trägt. Der 21-Jährige ist Mitglied der Studienkommission, was ihm das Gefühl gibt, selbst bei den Studieninhalten mitreden zu können. Keskingöz betet fünfmal am Tag, entweder in dem kleinen Gebetsraum im Zentrum für Islamische Theologie, in der nächstgelegenen Moschee beim Nonnenhaus, manchmal einfach vor dem Hörsaal. „Ich lerne meine Religion, das ist Lernen für mein Leben.“ Für ihn ist der Islam eine Philosophie, die in alle Lebensbereiche hineinreicht. „Ich habe geheiratet, um mit meiner Freundin zusammenzuleben. Der Islam lässt nichts anderes zu“, erzählt Keskingöz, der parallel an Descartes Meditationen arbeitet und sich darüber freut, dass es bald Akademiker geben wird, die in Deutschland den Islam vermitteln können.

 

„Wir brauchen vier Jahre, bis wir wirklich auf dem Boden stehen.“ Omar Hamdan sitzt in seinem Büro im ersten Stock der Villa, über einem der Stühle hängt ein Gebetsteppich, auf dem Schreibtisch steht ein Rahmen mit arabischen Schriftzeichen: „Mein Erfolg ist nur mit Allahs Hilfe möglich. Natürlich sind wir Geschöpfe mit freiem Willen, aber die Luft haben wir nicht erschaffen“, sagt der gebürtige Israeli, der 1995 in Tübingen promoviert hat und jetzt zum Zentrumsleiter aufgestiegen ist. Noch immer sind zwei Professorenstellen nicht besetzt, und im Herbst erst wird Lejla Demiri aus Berlin erwartet, die Islamische Glaubenslehre unterrichten soll. Es ist schwierig, qualifizierte Leute zu   finden“, sagt Zentrumsleiter Hamdan. Dann wieder gebe es Probleme mit Aufenthaltsgenehmigungen und Vertragsfristen. „Als ich im Sommer in Tübingen angefangen habe, stand ich vor einer leeren Villa, in der noch nicht einmal ein Telefon angeschlossen war.“ Allah aber schaffe aus dem Nichts etwas Großes, und inzwischen sei das Haus sehr bewohnt. „Darauf bin ich stolz.“ Er und die Universität täten alles, um den derzeit 40 Studierenden ein gutes Angebot zu machen. Irgendwann soll es auch möglich sein, auf Lehramt zu studieren, wann aber, kann bisher niemand sagen, auch das Kultusministerium nicht.

Präsentation vor dem Beirat

Wer in dem Zentrum für Islamische Theologie unterrichten will, muss nicht nur die wissenschaftliche Berufung schaffen, er muss sich auch vor einem religiösen Beirat präsentieren. „Wir sind wie die katholische und die evangelische Theologie eine bekenntnisorientierte Disziplin“, erklärt Hamdan, auf dessen Smartphone nicht nur die Gebetszeiten gespeichert sind, sondern auch ein Kompass, der ihm überall die Gebetsrichtung Mekka weisen kann. In dem Beirat sitzen beispielsweise Vertreter der Türkisch-Islamischen Union (Ditib) und des Verbandes Islamischer Kulturzentren (VIKZ), die die Berufenen nach ihren Gebets- und Fastengewohnheiten befragen. „Der Beirat will wissen, ob die Dozenten gute praktizierende Muslime sind. Über die fachliche Qualifikation entscheiden andere“, erklärt Hamdan, der die Befragung längst hinter sich hat. Um seinem neuen Arbeitgeber entgegenzukommen, hat sich der Deutschpalästinenser einer weiteren Prozedur unterzogen und sich einbürgern lassen. „Damit ist meine Reisefreiheit gesichert. Als israelischer Palästinenser hätte ich in viele arabische Staaten gar nicht reisen können.“

Reisen in den Nahen Osten will auch Seher Albayrak. Noch aber ist die 22-Jährige in Tübingen und hat an diesem Tag die Aufsicht über die Bibliothek. In dem kleinen Raum finden sich bisher nur wenige Bücher, dafür große Lücken in den Regalen. Die Studentin erzählt, dass es ihr türkischer Großvater war, der ihr den Glauben nahegebracht habe. „Mein Opa hat mir wunderschöne Geschichten erzählt.“ Zum Beispiel die von dem Mann, dem Mohammed gezeigt hat, wie man beten soll. „Der Mann hat vergessen, sich hinzuknien. Mohammed aber hat gesehen, dass der Mann wie er über einen See laufen kann, und nur gesagt, bete weiter auf deine Weise.“ Albayrak ist auf der Suche nach diesen Geschichten und hat für sich nur einen Wunsch: Irgendwann in einem arabischen Land zu leben und dort die Frauen aufzuklären. „Der Islam gibt den Frauen viele Rechte, nur wissen die Frauen nichts davon.“

Imam werden will Emre Sahin nicht, auch wenn er viel Zeit in Moscheen verbringt und die Geistlichen vieler umliegender Moscheen persönlich kennt. Der 23 Jahre alte Student aus Augsburg träumt davon, Lehrbeauftrager an einer Universität zu werden oder eine Stelle im interreligiösen Dialog zu bekommen: „Ich will Brücken bauen.“ Für den Moment aber ist Sahin froh, seinen Platz in dem achtsemestrigen Bachelorstudiengang Islamische Theologie gefunden zu haben. Sahin lernt Arabisch, beschäftigt sich mit Religionspädagogik, hört Vorlesungen über Hadithwissenschaften und freut sich über die familiäre Atmosphäre in dem Zentrum in der Tübinger Rümelinstraße.

„Man kennt jeden Dozenten persönlich, die Bibliothek ist übersichtlich, und in der Villa herrscht keine Hektik“, schwärmt er. Über die Kinderkrankheiten im Zentrum sieht Sahin geflissentlich hinweg: „Es ist nicht so schlimm, wenn die Arabischkurse nicht zum Semesterbeginn anfangen, wir sind im Aufbau.“ Emre Sahin sagt, der Koran sei wichtig für ihn als Mensch und erzählt von seinem Lieblings-Sahabi, einem Gefährten Mohammeds. „Musab bin Umeyr war ein junger, reicher und gut aussehender Mann, der alles für den Propheten hingegeben hat, auch sein Geld.“

Der Islam als Philosophie

Ähnlich begeistert wie Sahin ist Caner Yusuf Keskingöz, der Englisch und Philosophie auf Lehramt studiert und sich für ein Parallelstudium Islamische Theologie eingeschrieben hat. „Wir leisten Pionierarbeit“, sagt Keskingöz, der einen kurzen Vollbart und eine Gebetsmütze trägt. Der 21-Jährige ist Mitglied der Studienkommission, was ihm das Gefühl gibt, selbst bei den Studieninhalten mitreden zu können. Keskingöz betet fünfmal am Tag, entweder in dem kleinen Gebetsraum im Zentrum für Islamische Theologie, in der nächstgelegenen Moschee beim Nonnenhaus, manchmal einfach vor dem Hörsaal. „Ich lerne meine Religion, das ist Lernen für mein Leben.“ Für ihn ist der Islam eine Philosophie, die in alle Lebensbereiche hineinreicht. „Ich habe geheiratet, um mit meiner Freundin zusammenzuleben. Der Islam lässt nichts anderes zu“, erzählt Keskingöz, der parallel an Descartes Meditationen arbeitet und sich darüber freut, dass es bald Akademiker geben wird, die in Deutschland den Islam vermitteln können.

„Wir brauchen vier Jahre, bis wir wirklich auf dem Boden stehen.“ Omar Hamdan sitzt in seinem Büro im ersten Stock der Villa, über einem der Stühle hängt ein Gebetsteppich, auf dem Schreibtisch steht ein Rahmen mit arabischen Schriftzeichen: „Mein Erfolg ist nur mit Allahs Hilfe möglich. Natürlich sind wir Geschöpfe mit freiem Willen, aber die Luft haben wir nicht erschaffen“, sagt der gebürtige Israeli, der 1995 in Tübingen promoviert hat und jetzt zum Zentrumsleiter aufgestiegen ist. Noch immer sind zwei Professorenstellen nicht besetzt, und im Herbst erst wird Lejla Demiri aus Berlin erwartet, die Islamische Glaubenslehre unterrichten soll. Es ist schwierig, qualifizierte Leute zu   finden“, sagt Zentrumsleiter Hamdan. Dann wieder gebe es Probleme mit Aufenthaltsgenehmigungen und Vertragsfristen. „Als ich im Sommer in Tübingen angefangen habe, stand ich vor einer leeren Villa, in der noch nicht einmal ein Telefon angeschlossen war.“ Allah aber schaffe aus dem Nichts etwas Großes, und inzwischen sei das Haus sehr bewohnt. „Darauf bin ich stolz.“ Er und die Universität täten alles, um den derzeit 40 Studierenden ein gutes Angebot zu machen. Irgendwann soll es auch möglich sein, auf Lehramt zu studieren, wann aber, kann bisher niemand sagen, auch das Kultusministerium nicht.

Präsentation vor dem Beirat

Wer in dem Zentrum für Islamische Theologie unterrichten will, muss nicht nur die wissenschaftliche Berufung schaffen, er muss sich auch vor einem religiösen Beirat präsentieren. „Wir sind wie die katholische und die evangelische Theologie eine bekenntnisorientierte Disziplin“, erklärt Hamdan, auf dessen Smartphone nicht nur die Gebetszeiten gespeichert sind, sondern auch ein Kompass, der ihm überall die Gebetsrichtung Mekka weisen kann. In dem Beirat sitzen beispielsweise Vertreter der Türkisch-Islamischen Union (Ditib) und des Verbandes Islamischer Kulturzentren (VIKZ), die die Berufenen nach ihren Gebets- und Fastengewohnheiten befragen. „Der Beirat will wissen, ob die Dozenten gute praktizierende Muslime sind. Über die fachliche Qualifikation entscheiden andere“, erklärt Hamdan, der die Befragung längst hinter sich hat. Um seinem neuen Arbeitgeber entgegenzukommen, hat sich der Deutschpalästinenser einer weiteren Prozedur unterzogen und sich einbürgern lassen. „Damit ist meine Reisefreiheit gesichert. Als israelischer Palästinenser hätte ich in viele arabische Staaten gar nicht reisen können.“

Reisen in den Nahen Osten will auch Seher Albayrak. Noch aber ist die 22-Jährige in Tübingen und hat an diesem Tag die Aufsicht über die Bibliothek. In dem kleinen Raum finden sich bisher nur wenige Bücher, dafür große Lücken in den Regalen. Die Studentin erzählt, dass es ihr türkischer Großvater war, der ihr den Glauben nahegebracht habe. „Mein Opa hat mir wunderschöne Geschichten erzählt.“ Zum Beispiel die von dem Mann, dem Mohammed gezeigt hat, wie man beten soll. „Der Mann hat vergessen, sich hinzuknien. Mohammed aber hat gesehen, dass der Mann wie er über einen See laufen kann, und nur gesagt, bete weiter auf deine Weise.“ Albayrak ist auf der Suche nach diesen Geschichten und hat für sich nur einen Wunsch: Irgendwann in einem arabischen Land zu leben und dort die Frauen aufzuklären. „Der Islam gibt den Frauen viele Rechte, nur wissen die Frauen nichts davon.“