Die Swapgeschäfte der SachsenLB stellen für die LBBW ein Risiko dar, denn viele Kommunen und öffentlich-rechtliche Einrichtungen klagen.

Leipzig - Riesa gehörte zu den Ersten, die es in Sachsen versuchten. Vizeoberbürgermeister Markus Mütsch (CDU), zugleich der Kämmerer der 34 000-Seelen-Stadt, schwärmte noch 2008 von etwas „Spannendem, Schönem und Neuem“. Nun, da sich die Verluste ins Sieben- bis Achtstellige türmen, wurde er kleinlaut. Überdies ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen ihn: Er nahm wohl für den Abschluss von Zinsderivatgeschäften Provisionen an.

 

Riesas Oberbürgermeisterin Gerti Töpfer (CDU) sieht die Hauptschuldigen für die schwere Finanzkrise der Stadt indes anderswo: bei den Banken. Sie sollen Riesa wie auch weiteren 40 sächsischen Städten, Kommunalbetrieben und Zweckverbänden Swapgeschäfte mit dem schönen Namen „Spread Ladder Swap“ aufgeschwätzt haben, die sich als reine Zinswetten erwiesen. Von eingehender Risikoberatung keine Spur, heißt es.

Mit Zinswetten versuchen Kreditnehmer, ihre Zinslast zu drücken, indem sie auf eine bestimmte Zinsentwicklung spekulieren – zumeist eine steiler werdende Zinskurve. Dazu schließt die Kommune einen Vertrag mit einer Bank. Schätzen ihre Kassenwarte den Zinsverlauf richtig ein, entsteht ein Gewinn, andernfalls wird es teuer.

Selbst Landkreise fielen auf dieses Hütchenspiel der gehobenen Art ein. Dem Kreis Mittelsachsen in Freiberg hat ein Kreditgeschäft von 2006 mit der SachsenLB mittlerweile einen Verlust von 850 000 Euro beschert, denn in den letzten Monaten liefen rasant Zusatzzinsen auf. Dabei hatte man durch den Swap die Zinsen für ein Fünf-Millionen-Euro-Darlehen eigentlich drücken wollen. Anfangs gelang das ja auch – hier wie auch anderswo. Doch nun steckt manche Kommune so tief im Schlamassel, dass die dafür Verantwortlichen wohl nicht mehr selbst die Entschuldung erleben.

Die Politik fühlt sich „über den Tisch gezogen“

Es sei denn, sie klagen und haben Erfolg vor Gericht. Dies versucht Riesa, das erwägt auch der Plauener Oberbürgermeister Ralf Oberdorfer (FDP) als Vorsitzender des Zweckverbands Wasser und Abwasser Vogtland. Dieser steht wegen einer Zinswette gar mit 61 Millionen Euro in der Kreide. Wie Oberdorfer fühlen sich alle betroffenen Kommunalpolitiker nunmehr „über den Tisch gezogen“. Adressat der Prozesswut ist stets die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW). Dabei geriet diese eher unglücklich ins Visier. Denn sie übernahm 2008 durch einem Notkauf die fast insolvente SachsenLB – und somit auch einen Großteil ihrer Geschäfte.

Als Erster zog der Landrat von Mittelsachsen, Volker Uhlig (CDU), vor den Kadi. Sein Hauptvorwurf zielt auf „nicht ausreichende Beratung“. Er will den Vertrag auflösen und eine Wiedergutmachung erstreiten. Uhlig wertet die Sache als Musterprozess. Hat er vor dem Landgericht Stuttgart Erfolg, dürften weitere Kommunen ihr Heil in der Klage suchen oder auf eine außergerichtliche Einigung spekulieren.

Denn auch die Anwälte der Kommunen, etwa der von Riesa engagierte Jochen Weck aus München, plädieren klar auf eine Mitschuld der Banken. Weck hat bereits im Westen viele Kommunen erfolgreich bei Swap-Prozessen vertreten. Für ein Swapopfer erstritt er sogar eine Entschädigung vor dem Bundesgerichtshof. Vor allem Landesbanken droht nun eine Klagewelle, auch weil sie womöglich das Vertrauen der Rathäuser zu sehr in eigener Sache nutzten. „Es macht uns sprachlos, dass das Geschäft über unsere Landesbank lief, eine staatliche Bank, der eine Kommune normalerweise trauen sollte“, heißt es etwa in Falkenstein. Selbst einige Sparkassen stehen am Pranger, pikanterweise auch die Kreissparkasse Mittelsachsen. Verwaltungsratschef ist jener Landrat Uhlig, der in Stuttgart geklagt hat.

Betroffen sind auch kommunale Gesellschaften, etwa die Leipziger Wasserwerke (KWL). Bereits seit April verhandelt das Landgericht Stuttgart deren Klage gegen die LBBW wegen einer Zinswette, die noch bis 2014 läuft. Deren mittlerweile geschasster und selbst wegen Bestechlichkeit verurteilter Ex-Chef Klaus Heininger wollte damit 2006 Millionenverluste aus früheren Geschäften vertuschen und in die Zukunft verlagern. Nun lasten auf dem Betrieb Verluste von 14 Millionen Euro. Da Heininger seinerzeit seine Aufsichtsgremien überging, was die Banker angeblich bewusst in Kauf nahmen, wollen die Wasserwerke den Swap nachträglich stornieren lassen.

Die Bank spricht von „anlagegerechter“ Beratung

Nach Angaben der LBBW-Pressestelle in Leipzig steht die Bank mit den Kommunen in Kontakt, um „gemeinsam Lösungen zu finden“. Zugleich verwahrt sich der Pressesprecher gegen den Vorwurf, die SachsenLB habe ihre Kunden dereinst bei Verträgen ohne Zinshöchstgrenze nicht über jenes Risiko aufgeklärt. Es sei stets „anlagegerecht beraten“ worden. Im Geschäftsbericht 2006 der Landesbank Sachsen las man auf Seite 16: „Mit dem aktiven Zins- und Schuldenmanagement bietet die SachsenLB, in Verbindung mit den Kundenberatern der örtlichen Sparkassen, den sächsischen Kommunen eine Beteiligung an den tatsächlichen Entwicklungen der Zins- und Kapitalmärkte.“

Auch Sachsens Innenministerium hat nunmehr allen Städten und Landkreisen geraten, Schadenersatzansprüche gegenüber Banken zu prüfen. Zudem will der Freistaat in Kürze als erstes Bundesland in der sächsischen Gemeindeordnung ein generelles Spekulationsverbot für solcherlei Finanzgeschäfte festschreiben.