Im Zivilprozess gegen die Ex-Manager der LBBW Immobilien geht es auch um ein Münchner Projekt, bei dem die frühere Firma des Geschäftsführers viel Geld verdiente. Die Auftragsvergabe und die Vertragsgestaltung werfen brisante Fragen auf.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Gerd A. Hille blieb sich treu bis zuletzt. Zeit seines Berufslebens hatte der Immobilienexperte die Medien möglichst gemieden, und so hielt er es auch bei seinem Abschied. Nur die Fachpresse erfuhr Ende Januar in einem Halbsatz, dass Hille als Chef der Immobilientochter der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) bereits Ende vorigen Jahres in den Ruhestand getreten ist. Jedes würdigende Wort fehlte.

 

Erst auf Nachfrage bekundete LBBW-Chef Hans-Jörg Vetter auch öffentlich das Lob, mit dem er seinen langjährigen Bekannten intern geradezu überschüttet hatte: Man danke Hille für „ausgesprochen erfolgreiche Jahre“. Er habe „mitten in der Krise eine denkbar schwierige Aufgabe mit der Sanierung der Immobilien-Gesellschaft übernommen und diese sehr erfolgreich bewältigt“. Noch einmal habe der Mittsechziger bewiesen, dass er mit Sachverstand und Leidenschaft „auch schwierigste Immobilienprojekte zu einem guten Ende führt“. Dem Nachfolger und bisherigen Co-Geschäftsführer Michael Nagel hinterlasse er ein „gut bestelltes Haus“.

Die LBBW verlangt Schadenersatz

Mit den Nachwehen der Sanierung hat der Pensionär offiziell nichts mehr zu tun. Von den drei früheren Geschäftsführern, die vor ihm amtierten, verlangt die LBBW 120 Millionen Euro Schadenersatz. Doch im Zivilprozess vor dem Landgericht Stuttgart geht es auch um ein Projekt, bei dem Hilles Rolle und die eines ihm verbundenen Dienstleisters brisante Fragen aufgeworfen haben: die Hofstatt in München, den Umbau des einstigen Areals der „Süddeutschen Zeitung“ zu einem Geschäfts- und Büroquartier. Nach diversen Wirren, Umplanungen und Verzögerungen war der Einkaufstempel 2013 eröffnet worden: der Umbau sei „hervorragend gelungen“, lobte Hille damals. Wenig später wurde die Immobilie im Herzen Münchens an einen Hamburger Fonds verkauft, der sie für institutionelle Investoren erwarb. Über den Kaufpreis herrscht bis heute Stillschweigen, doch vom Immobilienboom in München dürfte auch die LBBW-Tochter profitiert haben. Es wäre schon ein „hehres Ziel“, hatte Hille einst gesagt, wenn man das Projekt ohne Verluste abschließen könnte, und das soll beinahe gelungen sein. Man habe das Minus gegenüber den einstigen Erwartungen „sehr deutlich verringert“, heißt es offiziell.

Gleichwohl ist die Hofstatt eines von mehreren Projekten, deretwegen die LBBW Immobilien ihre Ex-Manager verklagt hat. Die Schadenersatzforderungen beträfen „nicht den Projektverlust insgesamt“, sondern „einzelne Maßnahmen“ der früheren Geschäftsführer, teilte die LBBW mit. Damit geraten noch einmal jene Umstände in den Blick, die unternehmensintern und in der Branche Aufsehen erregt und Kopfschütteln ausgelöst hatten: die Art und Weise nämlich, wie langjährige Bekannte Vetters ins Spiel kamen und später von der Sanierung profitierten.

Der LBBW-Chef lässt prüfen

Als der LBBW-Chef Mitte 2009 in Stuttgart anfing, ließ er die Immobilienprojekte der Tochter zunächst kursorisch begutachten. Die Aufgabe übernahm ein alter Weggefährte, der Branchenveteran John Morgan. Nach Bankangaben veranschlagte er die Chancen, das Projekt Hofstatt mit Gewinn abzuschließen, als „gering“ – aber er hielt es immerhin für möglich. Ungleich schwärzer sah laut LBBW der mit einer vertieften Untersuchung beauftragte Dienstleister, die international tätige Immobilienfirma Hines: Beim bestehenden, teils als untauglich eingeschätzten Konzept drohten Verluste von 70 bis 80 Millionen Euro, durch Verbesserungen aber könne man die roten Zahlen „deutlich reduzieren“. Damaliger Geschäftsführer bei Hines in Frankfurt war Gerd Hille, der wenig später von Vetter nach Stuttgart geholt wurde; das Angebot für die Begutachtung wurde übrigens von einem Sohn John Morgans unterschrieben. So blieb alles im Dunstkreis der Frankfurter Immobilienszene, der auch Vetter eng verbunden ist.

Schon das löste in der Branche Stirnrunzeln aus, mehr aber noch der Fortgang der Dinge. Wenn Hines anschließend mit der Projektsteuerung beauftragt werde, hieß es in der Offerte, werde rund die Hälfte der sechsstelligen Kosten für die Expertise angerechnet. Tatsächlich bekam die einstige Hille-Truppe den Zuschlag, den Nachlass konnte sie sich locker leisten: für die Begleitung des Projekts Hofstatt erhielt sie in der Folge viele Millionen Euro. Zur Höhe sagt die Bank nichts, nach StZ-Informationen war es ein zweistelliger Millionenbetrag, bestehend aus zwei Komponenten: einer fixen Vergütung und einer erfolgsabhängigen, je nach Reduzierung des (selbst prognostizierten) Verlustes.

Das Eigeninteresse des Gutachters

Vor diesem Hintergrund wurde die Vergabe an Hines – zumal ohne Ausschreibung – intern kritisch beäugt. Der Gutachter habe ein starkes Eigeninteresse gehabt, einen möglichst hohen Verlust vorherzusagen, hieß es. Zudem seien die Konditionen des Projektauftrags höchst vorteilhaft gewesen: die Risiken trage weitgehend die Bank, von den Chancen profitiere vor allem der Dienstleister. So einen Kontrakt, staunten Branchenkenner, habe man „noch nie gesehen“. Wie passe das zu den Regeln für saubere Unternehmensführung (Compliance)? Im Grunde müsste der Vorgang, wie andere bei der LBBW Immobilien auch, den Staatsanwalt interessieren.

Bei der Bank wurde, immerhin, die interne Revision aktiv. Das Ergebnis laut der LBBW heute: „keine Beanstandungen“, gegen Compliance-Vorschriften sei nicht verstoßen worden. So sei die düstere Prognose von Hines auch von den hauseigenen Experten bestätigt worden. Bei der Vergabe sei „Eile geboten“ gewesen, „kurzfristig gab es zu Hines keine Alternative auf diesem Niveau“. In puncto Vergütung hätten sich die Projektmanager sogar auf ein besonderes Risiko eingelassen: das fixe Honorar hätte, wären die Ziele verfehlt worden, „bestenfalls die Kosten“ gedeckt.

Im Zivilprozess gegen die Ex-Geschäftsführer dürfte dieser Vorgang nun erneut eine Rolle spielen; in den Akten soll er gut dokumentiert sein. Stellungnahmen der Beklagten waren zunächst nicht zu erhalten. Dafür wurde bekannt, dass die LBBW inzwischen auch zwei früheren Topmanagern „den Streit erklärt“ hat, sie also in das Verfahren involviert: dem einstigen Bankchef Siegfried Jaschinski und dessen Vorstandskollegen Bernhard Walter, beide einst Mitglieder des Gesellschafterausschusses der „Immo“. Das Vorgehen habe zunächst formale Gründe, erläuterte ein Sprecher. Ob man von den beiden Schadenersatz fordere, sei noch nicht entschieden.