Das Zentrum für Kunst und Medientechnologie Karlsruhe, in der Republik besser bekannt als ZKM, wird 25 Jahre alt. Die Idee eines „elektronischen Bauhauses“ hat sich bewährt.

Kultur: Adrienne Braun (adr)

Karlsruhe - Es kann vorkommen, dass die Besucher auf Knöpfe hämmern, an Joysticks rütteln, auf Tastaturen klopfen oder das Tablet schütteln. Gewöhnliche Museumsdirektoren bekommen Panik, wenn ihre Besucher etwas anfassen. Im Zentrum für Kunst und Medientechnologie (ZKM) in Karlsruhe ist das Befingern und Befummeln erwünscht. Selten findet man in Ausstellungen so viel interaktive Kunstwerke, Computer oder Apps fürs Smartphone, Soundmaschinen oder Installationen, bei denen die Besucher durch ihre Bewegung Projektionen auslösen. Interaktivität ist hier Programm.

 

Genau dafür wurde das ZKM gegründet, was dem Haus den Spitznamen „Spielothek“ einbrachte. Am Wochenende hat das ZKM sein 25-jähriges Jubiläum gefeiert. Ungläubig reibt man sich die Augen: Gibt es den Medienkubus und die Ausstellungen in den lichtdurchfluteten Hallen tatsächlich schon ein Vierteljahrhundert? Ist die Zeit so gerast? Nein. Das ZKM könnte auch seinen Dreißigsten oder wahlweise seinen 17. Geburtstag begehen, seine Entstehungsgeschichte liefert viele Daten. Diesmal wird die offizielle Gründung 1989 gefeiert. Die Idee aber, ein Zentrum für Kunst und Neue Medien zu eröffnen, wurde bereits 1984 von einem Mann geboren, den heute kaum mehr einer kennt: Manfred Reichert. Der Musiker leitete das zeitgenössische Ensemble 13 – und dachte an eine Einrichtung wie Pierre Boulez’ Institut für moderne Musik in Paris, das Ircam.

Ministerpräsident Lothar Späth war ein Förderer

Die Musik, vor allem die elektronische, spielt im ZKM immer noch eine Rolle, aber die bildende Kunst hat die Oberhand gewonnen. In den achtziger Jahren waren die Neuen Medien tatsächlich noch neu – und der Fortschrittswille groß. So war man überzeugt, dass Künstler gezielt an die neuen Techniken herangeführt werden müssten. Deshalb sollte in dem neuen Zentrum auch Werkstätten zur Verfügung gestellt werden. Das geschah nicht zum reinen Selbstzweck: Dem damalige Ministerpräsidenten Lothar Späth war bewusst, dass die rosigen Zeiten der Auto- und Maschinenbauindustrie eines Tages vorbei sein könnten und man deshalb rechtzeitig zu neuen technologischen Ufern aufbrechen müsse. Späth was deshalb ein engagierter Schirmherr des ZKM.

Trotzdem hat es fast zehn Jahre gedauert, bis das Zentrum eigene Räume bekam. Bevor 1997 die imposanten Lichthöfe in der Lorenzstraße neu eröffnet wurden, musste das ZKM in verschiedenen Häusern logieren, auch das Medienkunstfestival Multi-Mediale, das man alle zwei Jahre ausrichtete, vagabundierte. Zunächst war ein Neubau geplant. Rem Koolhaas gewann den Wettbewerb mit der Idee eines sechzig Meter hohen Würfels mit Medienfassade – doch das Projekt scheiterte an den Kosten.

Ehemals eine Waffen- und Munitionsfabrik

Im Nachhinein war es gut so, denn der historische Hallenbau der ehemaligen Industriewerke Karlsruhe-Augsburg hat einen besonderen Charme. Die Waffen- und Munitionsfabrik wurde zwischen 1914 bis 1918 gebaut. In den zwanziger Jahren produzierte man hier Dosen, Milchkannen, Blechbestecke und Druckknöpfe – und Ende der zwanziger Jahre wieder Munition und Waffenteile in großem Stil: zeitweise wurde in drei Schichten rund um die Uhr und im Akkord gearbeitet.

Heute blinkt und leuchtet es fröhlich in den Hallen, häufig sieht man Studenten beim Hämmern, Sägen, Kleben, Malen. Denn in das neue Zentrum zog auch die Städtische Galerie und die neu gegründete Hochschule für Gestaltung – so dass Baden-Württemberg 23 Jahre nach der Schließung der HfG in Ulm wieder eine Hochschule für Gestaltung bekam. 1999 wurde außerdem noch das Museum für Neue Kunst eröffnet, in das das Museum für Gegenwartskunst einging und die ZKM-Kunstsammlung, das aber auch als Sammlermuseum manchen Streit auslöste. Es sollte verhindern, dass Privatsammlungen aus Baden-Württemberg abwandern, denn damals vermutete niemand, dass sich immer mehr Privatsammler ihre eigenen Museen bauen würden.

Lichtkunst aus Kunstlicht

Heinrich Klotz, der inzwischen verstorbene Gründungsdirektor, sprach gern von einem „elektronischen Bauhaus“, womit er sich klug Anwürfe vom Hals hielt, dass die Zukunftsschmiede ausgerechnet im abseitigen Karlsruhe steht. Auch Weimar und Dessau waren schließlich nicht der Nabel der Welt – und doch Heimat des legendären Bauhauses. 1999 übernahm Peter Weibel die Leitung und kündigte an, dass das ZKM mit ihm „in die Weltklasse der Museen“ aufsteigen werde. Das mag nicht erreicht worden sein, dennoch ist das ZKM eine wichtige, international anerkannte Institution, die in 25 Jahren einiges geleistet hat: 346 Publikationen wurden veröffentlich und mehr als dreihundert Ausstellungen organisiert – seien es Themenausstellungen zu Überwachung, Lichtkunst aus Kunstlicht oder den Wandel der Jugendkulturen oder monografische Schauen wie zu Ólafur Elíasson.

Vier Millionen Besucherinnen und Besucher kamen in dieser Zeit. Und gerade weil das ZKM eine „Spielothek“ ist, hat es auch jüngeres Publikum, das die künstlerischen Apps ausprobiert oder Computerkunst testet. Selbst wenn sich viele Museumsdirektoren bei so viel Interaktivität die Haare raufen mögen, erfüllt das ZKM so, was Marcel Duchamp schon 1957 formulierte: dass der Beitrag des Betrachters zum kreativen Akt wesentlich ist.