Die schwarze Polizistin Clemencia Garises gerät in Bernhard Jaumanns „Steinland“ zwischen die Fronten der landlosen Township-Bewohner und der weißen Farmer.

Stuttgart - Was war da eigentlich los, nachts, draußen auf einer Farm weit im Nordwesten von Windhoek? Ganz schlüssig scheint Clemencia Garises von der Serious Crime Unit nicht zu sein, was die Zeugen, weiße Farmer aus der Gegend, ihr berichten. Jedenfalls liegt die Leiche des Farmers Rodenstein auf dem dürren Boden. Der Sohn des Getöteten soll entführt, ein Tsotsi, ein Township-Gangster, angeschossen worden sein. Das alles, beklagen die Farmer, sei Teil einer von der Staatsführung eingefädelten Terrorkampagne, um sie zur Aufgabe ihres Grundbesitzes zu bringen.

 

Der deutsche Autor Bernhard Jaumann verknüpft in seinem zweiten Namibia-Roman „Steinland“ wie im Vorgänger „Schattenland“ einen Kriminalfall mit einem politischen Konflikt im Süden Afrikas. Ob das im Einzelfall nun Gangster waren, die nachts auf die Farm schlichen, oder Männer auf der Suche nach den Gräbern ihrer Ahnen, wie man es Garises auch erzählt, die Konfrontation der Landlosen mit den Landbesitzern ist real. Und aus einer Demonstration vor einem Ministerium wird im Nu eine – vorerst noch kleine – Straßenschlacht.

Weiße Farmen, schwarze Townships

Jaumann könnte sich leicht zur politisch korrekten Patentfaltung der Gegebenheiten verführen lassen. Die schwarze Clemencia Garises stellt sich im Zweifel lieber auf Seiten der Landlosen und Armen, sie misstraut dem politischen Lamento der Weißen und deren Aussagen zum Tathergang. Auf dem Weg zu größerer gesellschaftlicher Gerechtigkeit, scheint Garises zu denken, muss man manchmal auf den Nebenweg ausgleichender Ungerechtigkeit ausweichen.

Aber Jaumann lässt der Wirklichkeit ihre Widersprüche und die Polizistin auf das dauerhaft Unbequeme stoßen. Ja, die involvierten Weißen sagen nicht die Wahrheit. Aber die involvierten Schwarzen auch nicht. Die Welt der weißen Farmer mag Garises fremd, die der armen schwarzen Township-Bewohner vorstellbarer für sie bleiben. Aber sie lernt bei den Weißen eine sture Verwurzelung kennen, eine Loyalität gegenüber dem Land, dem die schwarzen Kleinbauern noch nichts entgegen zu setzen haben – schon gar keine ökonomischen Erfolge auf umverteiltem Land.

In „Steinland“ geht es aber nicht um nüchterne Bilanzen, sondern um emotionale Verortungen. Ohne Weinerlichkeit und Verbrämung zeigt uns Jaumann die postkoloniale, besser gesagt, die postrassistische Orientierungslosigkeit der Weißen in einem Land, dessen SWAPO-Führung sie allen Lippenbekenntnissen zum Trotz als Störfaktor sieht.

Spannung und Achillesferse

Jaumanns Achillesferse dabei bleiben die Dialoge. Wirklich lebendig wirken sie selten. Das ist nicht Jaumanns spezielle Schwäche. Der deutsche Krimi tut sich oft schwer mit Umgangssprache, mit einem Sound jenseits des auktorialen Erzählflusses. Der aber ist bei Jaumann wiederum so einnehmend, dass man „Steinland“ mit Gewinn und Spannung liest.

Jaumann bleibt dran an konkreten Figuren, aber er lässt durch ihre Schicksale brisante Fragen für die Allgemeinheit durchschimmern. Ist Landraub an den Erben von Landräubern letztlich okay? Ist man noch ein Landräuber, wenn die Großeltern- oder Urgroßelterngeneration steinige Fluren ertragreich gemacht hat?

Bernhad Jaumann: Steinland. Kindler, Hamburg. 320 Seiten. 19,95 Euro. Als E-Book 16,95 Euro.