Ein Pinguin verschwindet am helllichten Tag aus einem Tierpark in Mannheim. Der Fall gibt der Diskussion um standesgemäße Gehege - und möglichen Tierraub - neue Nahrung. Zoos wollen ihren Bestand sichern, aber auch nicht hermetisch wegsperren. Gelingt der Spagat?

Mannheim - Geraubte Papageien in Krefeld, geklaute Affen in Magdeburg, gestohlene Bussarde in Berlin: Tierdiebe nehmen aus deutschen Zoos seit Jahren fast alles mit, was kreucht und fleucht. Ist nun Mannheim das jüngste Opfer einer meist gut organisierten Gruppe geworden? Entsetzt stellte die Verwaltung des Luisenparks jüngst bei einer Zählung das Fehlen eines Humboldt-Pinguins fest. Trotz intensiver Suche der Behörden fehlt jede Spur von dem Vogel.

 

Dass ein Jugendlicher aus Übermut über den niedrigen Zaun gegriffen und das fünf Kilogramm schwere Tier in eine Tasche gesteckt haben könnte, kann die Polizei der Industriestadt am Rhein nicht recht glauben. „Ein gewerbsmäßiger Diebstahl ist denkbar, obwohl eine Prognose sehr schwierig ist“, sagt ein Polizeisprecher. Ein Tierdiebstahl für einen Privatzoo: Was für viele wie Filmstoff klingt, ist Experten zufolge bittere Realität. Oft stecken reiche Auftraggeber hinter dem illegalen Handel, und die Kanäle führen meist ins Ausland.

„Besonders begehrt sind hochbedrohte Arten, vor allem im Vogel- und Reptilienbereich“, sagt Geschäftsführer Volker Homes vom Verband der Zoologischen Gärten (VdZ). Das Profil passt zumindest - der Humboldt-Pinguin gilt als gefährdete Art. Und der Vogel scheint begehrt: Jeweils drei Exemplare wurden 2015 in Dortmund und viele Jahre zuvor in Heidelberg geraubt.

2010 verschwindet ein Brillenpinguin aus der Wilhelma

„Vielleicht hat das auch damit zu tun, dass es die am meisten verbreitete Pinguin-Art in Deutschland ist“, sagt Christina Schubert vom Verein Sphenisco zum Schutz des Humboldt-Pinguins. Ohne Aufwand könnten Humboldt-Pinguine im Freigehege gehalten werden. „Dagegen leben in Frankfurt etwa Eselspinguine aus klimatischen Gründen hinter Panzerglas“, sagt die Expertin des Tierparks in Landau (Pfalz). Auch sie zweifelt im Fall Mannheim an einem Streich: „Mit Pinguinen muss man umgehen können. Sie sind wehrhaft und können einen verletzen.“

Auch aus der Stuttgarter Wilhelma verschwand 2010 ein Brillenpinguin. Aufgeklärt ist das bis heute nicht - wie die meisten Fälle. Es gehe oft um organisierte Kriminalität, meint Homes vom VdZ. „Über die Täter weiß man nur sehr wenig. Sie zu fassen, ist extrem schwer.“ Angesichts der Diebstähle könnten sich die Zoos zusammenschließen und etwa Detektive mit der Suche nach den Tieren beauftragen, schlägt der Krefelder Zoo-Direktor Wolfgang Dreßen vor.

Es gehe um eine Eigeninitiative parallel zur Polizeiarbeit. „Wir sprechen hier schließlich von einem gut organisierten und europaweiten illegalen Tierhandel“, meint Dreßen. Aus seinem Zoo waren unter anderem zwei seltene Hyazinth-Aras (Papageien) und drei Goldene Löwenäffchen gestohlen worden. Auf dem Schwarzmarkt zahlen Interessenten für ein Äffchen schätzungsweise bis zu 30 000 Euro.

Deutschlandweit existiert in Tierparks anscheinend nichts, auf das es Diebe nicht abgesehen haben: So verschwanden in Brandenburg drei Känguru-Babys, in Suhl stahlen Einbrecher eine Würgeschlange und in Bremerhaven einen Flamingo. Neben dem finanziellen und emotionalen Verlust sei das Verschwinden eines Tiers auch immer ein Schlag für den Artenschutz, sagt Alexandra Wind vom Luisenpark in Mannheim.

Betreiber Totale Überwachung ist unmöglich

Grundsätzlich müssen zwar in Zoos vor allem Menschen vor Tieren geschützt werden. Mit zunehmenden Diebstählen allerdings sehen sich die Parks gezwungen, umgekehrt die Tiere vor Menschen in Sicherheit zu bringen. Betreiber räumen ein, dass totale Überwachung unmöglich ist. Wachdienste kontrollieren meist nur einen Teil des oft unübersichtlichen Geländes, und Alarmanlagen gelten selten als effektiv. Zudem können viele Tiere nachts nicht eingesperrt werden.

„Es kommt immer mal wieder vor, dass jemand nachts in den Zoo gelangt - etwa Jugendliche oder Obdachlose“, erzählt Vize-Direktor Clemens Becker vom Zoologischen Stadtgarten in Karlsruhe. Auf dem relativ offenen und zugänglichen Gelände arbeite aber ein Sicherheitsdienst. „Größere Fälle von Vandalismus sind nicht vorgekommen“, sagt Becker.

Anderswo wollen Tierparks nachrüsten - etwa in Mannheim, wo die Suche nach dem etwa 60 Zentimeter großen Pinguin andauert. Bisher verlaufen am Gehege Elektrodrähte. „Die schrecken aber weniger Diebe ab als vielmehr Raubtiere wie etwa Füchse“, sagt ein Polizeisprecher. Die Tierrechtsorganisation Peta kritisiert den Schutz als unzureichend.

Die Betreiber des Luisenparks erwägen nun eine Kameraüberwachung. Und sie hoffen, dass ihr Pinguin mit der Marke Nummer 53 vielleicht doch aus Leichtsinn mitgenommen wurde - und noch auftaucht. Dies muss aber bald sein: Ohne besondere Bedingungen wie etwa Spezialnahrung hat das Tier keine Überlebenschance.