Die Zahl der Sitzenbleiber an Realschulen in Baden-Württemberg ist drastisch gestiegen. Es wäre verfehlt, deshalb über die Abschaffung der verbindlichen Schulempfehlung zu lamentieren, meint Christoph Link. Aber Schüler brauchen mehr Hilfen.

Stuttgart - Flugs weisen Kritiker auf die Abschaffung der verbindlichen Grundschulempfehlung hin, die in Baden-Württemberg schuld an der drastisch gestiegenen Sitzenbleiberquote vor allem in der fünften Klasse der Realschule sei. Der zeitliche Zusammenhang ist da: Seit Abschaffung der verbindlichen Schulempfehlung 2012 ist die Zahl der Nichtversetzungen stetig angestiegen. Zu einer Bilanz gehören aber auch Guthaben: Wie hoch ist der Anteil der Kinder, die es trotz anderslautender Empfehlung an einer höheren Schule geschafft haben und erfolgreich sind? Darüber gibt es keine Erhebung.

 

Keiner will das Rad zurückdrehen und die verbindliche Schulempfehlung wieder einführen. Sie hatte früher zu starkem Leistungsdruck bei den Drittklässlern geführt, Arbeiter- und Migrantenkinder benachteiligt und das Elternrecht eingeschränkt. Der Leistungsdruck hat sich nun verlagert auf einen späteren Zeitpunkt. Verantwortungsvolle Eltern müssen das bei der Schulwahl berücksichtigen. Die Bildungspolitik muss flankierend auch an Realschulen und Gymnasien stärker individuell fördern. Der Sinn des Sitzenbleibens ist bei Bildungsexperten höchst umstritten. Für die meisten Kinder aber ist es leidvoll, aus dem Klassenverband gerissen und mit dem Stigma des Sitzenbleibers konfrontiert zu werden.