Eigentlich wollte die Stadt die Fürsorgeunterkünfte reduzieren. Doch der Bedarf bleibt groß. Noch immer verlieren Menschen regelmäßig ihr Zuhause.

Zuffenhausen - Fast sein ganzes Leben lang war Helmut Müller (Name geändert) erfolgreich. Nie hätte er gedacht, dass er einmal wohnungslos werden könnte. Er hatte einen erfolgreichen Einzelhandel, Immobilien und „ein gutes Leben“, wie der heute 77-Jährige sagt. Doch irgendwann kam eine Lawine ins Rollen. Mit dem Geschäft ging es stetig bergab und als seine Frau einen Schlaganfall erlitt, übernahm Müller die Pflege. Als sie 2003 starb, hatte er sein Geschäft längst aufgegeben. Geblieben war ein Schuldenberg und eine „schöne, aber zu teure Wohnung“. Als die Mietrückstände zu hoch wurden, konnte er die Räumungsklage nicht mehr abwenden. Seit 2009 lebt er nun in einer Fürsorgeunterkunft in Zuffenhausen.

 

Dass Helmut Müller nicht auf der Straße gelandet ist, könnte an dem Konzept für Fürsorgeunterkünfte (FUK) liegen, dass seit 2008 in Stuttgart existiert. Dieses setzt vor allem auf Prävention. Im Falle Müllers kontaktierte der Gerichtsvollzieher die Fachberatungsstelle zur Verhinderung von Obdachlosigkeit. „Dafür wurde das Mieter-Vermieter-Telefon eingerichtet“, erklärt Linda Westwood vom Sozialamt. „Droht der Wohnungsverlust, können sowohl Mieter als auch Vermieter dort anrufen“, sagt die Fallmanagerin, die seit 2008 für die Belegung der Fürsorgeunterkünfte zuständig ist. So könne rechtzeitig reagiert werden.

Kaum Chancen auf dem freien Markt

Gründe, weshalb Menschen ihre Wohnung verlieren, sind meist Mietschulden und ein damit verbundenes Räumungsurteil. „Manchmal werden sie aufgrund von Eigenbedarf gekündigt“, erklärt Westwood. Schulden, Arbeitslosigkeit oder soziale Isolation führen dazu, dass sie auf dem freien Markt keine Wohnung finden. Zu Westwoods Klienten gehören Alte, Familien mit Kindern aber auch Menschen mit psychischen Erkrankungen. Wer in eine Fürsorgeunterkunft kommt, bleibt normalerweise maximal zwei Jahre. So sieht es das FUK vor. „Wir wollen die Menschen befähigen, alleine zu leben und Wohnungen zu finden“, betont Westwood.

Da das nicht immer gelingt, besteht bei Wohnungen im Streubesitz die Möglichkeit, sie in ein reguläres Mietverhältnis zu überführen. Wohnungen im Streubesitz sind auf Mehrfamilienhäuser der SWSG verteilt. Die Nachbarn wissen also nicht, dass es sich um Fürsorgeunterkünfte handelt. „Für die Umwandlung gibt es jedoch Kriterien. Man darf beispielsweise keine Mietschulden bei der SWSG haben“, erklärt Waltraud Schillinger von der Evangelischen Gesellschaft (eva). Sie betreut die sozialen Dienste in Fürsorgeunterkünften in Zuffenhausen.

Stadt wollte Zahl der Unterkünfte reduzieren

Derzeit bewegt sich die Zahl der Fürsorgeunterkünfte in Stuttgart zwischen 450 und knapp 470. Während sich 188 davon in Zweckbauten befinden, sind die übrigen in Streubesitz. In Zweckbauten, wie an der Satteldorfer Straße in Zuffenhausen, sind laut Schillinger oft schwächere, erkrankte Menschen untergebracht. Hier befindet sich auch ein Kontaktbüro, in dem sie Hilfe bekommen. Mit 105 Unterkünften gibt es die meisten in Zuffenhausen und Stammheim. 73 sind es in Mühlhausen und 52 in Bad Cannstatt.

Eigentlich wollte die Stadt die Unterkünfte auf 400 reduzieren, doch die Zahl der Menschen, die wohnungslos werden, steigt an und zwar in ganz Deutschland. Gerade veröffentlichte die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe ihre neuesten Zahlen. Demnach waren 2010 rund 248 000 Menschen wohnungslos, aktuell sollen es 335 000 sein. „Wir haben eine Auslastung von derzeit 100 Prozent“, sagt Linda Westwood. Die Unterbringungen würden derzeit alle benötigt. Dass die Zahl der Bedürftigen in absehbarer Zeit sinken wird, bezweifelt sie.