Cornelia Lanz hat mit dem Verein Zuflucht Kultur schon mehrere Opernprojekte mit Flüchtlingen realisiert. Nun wird in Stuttgart-Weilimdorf Mozarts Idomeneo einstudiert. Für den Chor werden Sängerinnen und Sänger gesucht.

Weilimdorf - Unruhig ist es in der Notunterkunft für Flüchtlinge in der Weilimdorfer Spechtweghalle am Montagabend. Kinder rennen durch die Gänge, vereinzelt essen Menschen noch zu Abend, andere unterhalten sich lautstark, während die Stuttgarter Mezzosopranistin Cornelia Lanz und ihre Mitstreiter vom Verein Zuflucht Kultur die letzten Vorbereitungen für ihr Casting treffen. Auch als Lanz – übersetzt von drei Dolmetschern – um kurz nach 19 Uhr ein paar Worte zur Begrüßung an die Flüchtlinge richtet, nimmt die Geräuschkulisse in der großen Halle kaum ab. Als die Sängerin dann aber eine Opernarie anstimmt, wird es schlagartig ruhig in der Sporthalle.

 

„Es ist total cool, was für eine Kraft Musik hat“, sagt Lanz. Diese Kraft will sie nutzen, um den geflüchteten Menschen Mut zu machen, um für ein kulturelles Miteinander zu werben, dafür, aufeinander zuzugehen und voneinander zu lernen. Das macht sie nicht zum ersten Mal: Vor zwei Jahren hat Lanz im oberschwäbischen Oggelsbeuren drei Monate lang mit syrischen Flüchtlingen zusammengelebt, die dort in einem ehemaligen Kloster untergebracht wurden, und hat mit ihnen die Oper Cosi fan tutte einstudiert. Später folgte das Opernprojekt Zaide – eine Flucht. Und nun wird in Weilimdorf gemeinsam mit dort lebenden Flüchtlingen mit Idomeneo die nächste Mozartoper auf die Beine gestellt.

Idomeneo ist die Geschichte einer Überfahrt

Der Kontakt kam über den Vorsitzenden der SG Weilimdorf, Jürgen Diercks, zustande, dessen Sohn ein Schulfreund von Walter Schirnik ist. Der wiederum ist nicht nur Intendant der Stuttgarter Symphoniker, sondern auch Vorsitzender von Zuflucht Kultur. „Das ist eine einmalige Sache für Weilimdorf“, sagt Diercks. Die größte Schwierigkeit sei gewesen, nahe der Lindenbachhalle, wo geprobt wird, Lagerräume für die Requisiten zu finden. Doch auch dieses Problem wurde gelöst: Andreas Zeger vom Verein Chloroplast, der das Walz-Areal wiederbeleben möchte, bot dafür Räume auf dem einstigen Gärtnereigelände an. Auch die dortige Werkstatt kann für Reparaturen oder Bastelarbeiten genutzt werden, sagt Zeger, der selbst für die technische Unterstützung bereitsteht. Weiterhin gesucht werden hingegen Sponsoren und Mäzene für das Projekt, sagt Cornelia Lanz.

Wie bereits bei Zaide gibt es auch bei Idomeneo Bezugspunkte zwischen der Handlung der Oper und den Biografien der Mitwirkenden: „Es ist die Geschichte einer Überfahrt, es geht um einen Schiffbruch und einen großen Vater-Sohn-Konflikt“, erklärt Lanz. Die Hauptrollen übernehmen professionelle Sänger, das Orchester ist ein spanisches Ensemble, das auf höchstem Niveau spielt, erklärt Lanz. Gesucht werden an diesem Abend in Weilimdorf 25 Sängerinnen und Sänger im Alter zwischen 14 und 30 Jahren für den Chor. Davon sollen nach Lanz’ Vorstellungen 15 aus den Reihen der Flüchtlinge, die in Weilimdorf leben, kommen. Auf der Suche nach den zehn anderen hat sie sich unter anderem ans Solitude-Gymnasium gewandt. „Mitbringen müssen die Leute nur Freude an und Respekt vor der Bühne sowie Zuverlässigkeit und den Willen, etwas zu sagen.“

Der erste Casting-Kandidat, der sich auf die improvisierte Bühne traut, bringt noch viel mehr mit – Sarmad Foud kann richtig gut singen, stimmt nach einer kurzen Solo-Einlage gleich ein Duett mit Cornelia Lanz an. Der Iraker erzählt, dass er schon in seiner Heimat gesungen hat. Ein anderer Flüchtling spielt arabische Musik auf einer Flöte, die er sich in der Notunterkunft aus einem Stück Gartenschlauch selbst gebaut hat. Später wird in der Spechtweghalle noch gerappt, geschauspielert und auf leeren Wasserkanistern getrommelt. „Ich bin total begeistert, wie der Abend verlaufen ist“, sagt Lanz. „Die Leute haben sich überschlagen vor Kreativität. Und auch wie sie miteinander umgegangen sind, hat mich sehr gefreut.“

Das Opernprojekt Idomeneo

Flüchtlingschor:
Deutschlandweite Bekanntheit erlangt der syrische Flüchtlingschor mit Cornelia Lanz durch einen Auftritt in der ZDF-Sendung „Die Anstalt“, der unter anderem mit dem Grimme-Preis sowie von Amnesty International mit dem Medienpreis für Menschenrechte ausgezeichnet wurde.

Idomeneo:
Die Proben für das Opernprojekt finden in der Weilimdorfer Lindenbachhalle, Solitudestraße 243, statt. Geprobt wird vom 29. Februar bis 24. März sowie vom 27. Juni bis zum 2. Juli immer dienstags und freitags ab 19 Uhr sowie samstags ab 10 Uhr. Für den Chor werden noch Sängerinnen und Sänger gesucht.

Auftritte:
Idomeneo soll im Sommer bei einem Musikfestival in der Region Stuttgart aufgeführt werden. Außerdem stehen Auftritte in Biberach und in Bad Homburg fest. Cornelia Lanz ist bereits am Donnerstag, 21. Januar, mit der Konzertlesung „Labo Agen“ in der Gerlinger Jahnhalle zu sehen und hören.