Bei den Unfällen am Hauptbahnhof haben sich wahrscheinlich die Puffer der Waggons verkeilt. Aber was bedeutet das eigentlich? Eine Erklärung.

Chefredaktion : Holger Gayer (hog)

Stuttgart - Obwohl eine offizielle Stellungnahme des Eisenbahn-Bundesamtes (EBA) zur Ursache des neuerlichen Unfalls am Stuttgarter Hauptbahnhof noch aussteht, gilt es dennoch als wahrscheinlich, dass eine sogenannte Überpufferung der Grund für die jüngsten Entgleisungen gewesen ist. Darunter versteht man ein Phänomen, das dann auftreten kann, wenn ein Zug mit langen Waggons durch zu enge Kurven fährt oder zwischen zwei gegenläufigen Bögen eine zu kurze Ausgleichsgerade liegt – sprich: eine S-Kurve zu eng für die langen Waggons ausgelegt ist.

 

Die Wahrscheinlichkeit einer Überpufferung ist größer, wenn ein Zug von einer hinten angehängten Lokomotive geschoben wird, als wenn der Zug von der Lokomotive gezogen wird. Jeder Eisenbahnwaggon hat an seinen beiden Enden jeweils zwei Puffer, die bewirken, dass der Abstand der Waggons konstant bleibt. Fährt ein Zug durch eine Kurve, verschieben sich die Puffer. Wird der Zug gezogen, bleibt diese Verschiebung in der Regel trotzdem unproblematisch, weil die Zugkräfte die Puffer voneinander entfernen. Wird der Zug geschoben, geschieht das Gegenteil: die Puffer werden aneinandergepresst – beim Anfahren stärker als bei Fahrt auf freier und gerader Strecke.

Wenn aber beim Anfahren eines Zuges der Radius einer Kurve sehr eng ist, können sich die Puffer der Waggons so weit zueinander verschieben, dass sie gegenseitig keinen Halt mehr finden und abgleiten. Die Folge: die Puffer verkeilen sich, sobald der Zug wieder auf gerader Strecke fährt. Dadurch können so massive Hebelwirkungen auftreten, dass die Waggons entgleisen.

Zu verhindern wäre dies möglicherweise, wenn bis auf Weiteres keine geschobenen Züge mehr über die problematische Fahrstrecke am Stuttgarter Hauptbahnhof fahren würden. Dann müssten aber entweder sogenannte Sandwichzüge verkehren – also Züge, die vorne und hinten mit einer Lokomotive bespannt sind. Oder die Züge müssten, wie bis in die achtziger Jahre hinein üblich, zwischen Ein- und Ausfahrt im Kopfbahnhof umgespannt werden. Dies kostet allerdings Zeit und hätte wahrscheinlich Auswirkungen auf den Fahrplan der Deutschen Bahn.