Die Aufsichtsbehörde will die Chancengleichheit beim Zugang zum Internet wieder abschaffen. Gewinner der Reform wären große Netzbetreiber wie AT&T.

Washington - In den USA sollen große Netzbetreiber bald mehr Macht darüber bekommen, welche Inhalte ihre Kunden zu sehen bekommen: Die Telekommunikations-Aufsichtsbehörde FCC will die so genannte Netzneutralität abschaffen. Nach dem jetzt vorgestellten Plan von FCC-Chef Ajit Pai sollen Anbieter das Recht erhalten, die Geschwindigkeit für bestimmte Inhalte zu beschleunigen und für andere zu bremsen. Endgültig beschlossen wird die Neuordnung im Dezember, doch schon jetzt formiert sich heftiger Widerstand von Kritikern, die um die Meinungsfreiheit und die Chancengleichheit im Internet fürchten.

 

Netzbetreiber können mehr Geld für schnellen Zugang verlangen

Pai, der auf Vorschlag von US-Präsident Donald Trump ins Amt kam, ist schon seit Jahren ein ausgewiesener Gegner der Netzneutralität. Nach seiner Bestätigung als FCC-Chef im Senat vor wenigen Wochen geht er nun daran, seine Vorstellungen umzusetzen. Sein Hauptargument lautet, dass die Regierung aufhören solle, „Micromanagement“ im Internet zu betreiben. Nach seinem Plan müssen Internetanbieter künftig lediglich offenlegen, welche Dienste begünstigt werden und was ein Konsument für den Zuschnitt eines Anbieters zahlen muss. Das entspreche der Freiheit des Internets, argumentiert er. Damit schafft Pai ein zwei Jahre altes Regelwerk ab, das unter Trumps Vorgänger Barack Obama beschlossen wurde und das Gleichheit beim Zugang zu Internet-Websites garantieren sollte. Viele Details der neuen Regeln sind noch nicht bekannt, doch wird allgemein mit einer Annahme von Pais Plan bei der Abstimmung am 14. Dezember gerechnet, weil Trumps Republikaner in der FCC über eine Mehrheit von drei zu zwei Sitzen haben.

Gewinner der Reform wären große Netzbetreiber wie Verizon, AT&T oder Comcast, die seit Jahren die Abschaffung der Netzneutralität fordern. Entsprechend erfreut reagierten sie auf Pais Mitteilung über sein Vorhaben. Mit der Neuordnung sollen die Verbraucher künftig ihr individuelles Internet-Paket besser auf sich selbst zuschneiden können, verspricht Pais Plan. Netzbetreiber können mehr Geld für schnellen Zugang zu Inhalten verlangen – die viel beschworene Überholspur auf der Datenautobahn verspricht ein kräftiges Einnahme-Plus.

Anhänger der Netzneutralität verlangen Chancengleichheit

Anhänger der Netzneutralität sehen dagegen eines der wichtigsten Merkmale des Internets in Gefahr: das Prinzip, dass alle Betreiber von Websites grundsätzlich dieselben Chancen haben, ihre Inhalte an die Öffentlichkeit zu bringen. Würden Pais Vorstellungen umgesetzt, könnten Großkonzerne künftig zum Beispiel darüber entscheiden, welche Nachrichten-Websites ein Kunde anschauen dürfe und welche nicht, erklärte die Bürgerrechtsgruppe ACLU. Zudem könnten Handy-Apps blockiert und der Zugang zu bestimmten Web-Inhalten verlangsamt werden. Die Bürgerrechtler riefen die Amerikaner auf, ihre Parlamentsabgeordneten zum Widerstand gegen die Reform zu bewegen.

Andere FCC-Kritiker veröffentlichten Pais E-Mail-Adresse und Telefonnummer und forderten die Internetnutzer auf, sich direkt an den Behördenchef zu wenden, um Druck zu machen. Pais Plan wurde am Dienstag bei Twitter innerhalb kurzer Zeit zum meist diskutierten Thema.

Auch Internet-Giganten wie Google sind gegen die Abschaffung der Netzneutralität

Mehrere Oppositionspolitiker kündigten an, sie wollten alles tun, um das Vorhaben zu verhindern. Wieder einmal stelle sich die Trump-Regierung an die Seite des „großen Geldes und gegen die Demokratie“, schimpfte Senator Bernie Sanders, der führende Vertreter der politischen Linken in der amerikanischen Politik und ein möglicher Präsidentschaftskandidat im Jahr 2020. Bei einer Umsetzung von Pais Vorhaben werde das Internet mit seinem freien Austausch von Ideen „aufhören zu existieren“. Der ehemalige FCC-Chef Tom Wheeler, der im Jahr 2015 die Netzneutralität verankerte, nannte die Entscheidung seines Nachfolgers „tragisch“. Die Reform diene den Großkonzernen statt den Verbrauchern, sagte Wheeler der „Washington Post“. Auch Internet-Giganten wie Google, Amazon und Facebook sind gegen die Abschaffung der Netzneutralität.