Die Veranstaltungsreihe „Zukunft Bad Cannstatt“ ist nach vier Abenden beendet. Die Ergebnisse sollen nun nicht in der Schublade landen, versprechen die Macher. Experten raten, nach der tollen Vorleistung der Bürger nun Profis ins Boot zu holen.

Bad Cannstatt - Selbstbewusstsein und Kommunikation – das sind die Schlüssel, wenn sich künftig in Bad Cannstatt etwas verändern soll, egal ob es nun den Verkehr, die Bekanntheit der Altstadt oder andere Themen betrifft. Das ist ein erstes Ergebnis der Veranstaltungsreihe „Zukunft Bad Cannstatt“, die am vergangenen Mittwoch im Kursaal ihren Abschluss fand. 40 Jahre sei verschlafen worden, was Bad Cannstatt für ein Schatz ist, sagte der Bezirksvorsteher Bernd-Marcel Löffler zum Abschluss. Die Reihe habe die Augen geöffnet und entsprechende Gefühle geweckt. Dieser Schwung soll genutzt werden. „Die Ideen, die wir erarbeitet haben, verschwinden nicht in der Schublade“, versprach Löffler.

 
Das Podium Foto: Bayer

Mehr als 200 Bürger waren zur Abschlussveranstaltung gekommen – noch etwas mehr als an den drei Abenden im vergangenen November und Dezember, bei denen die Vergangenheit, der Ist-Zustand und die mögliche Zukunft von Stuttgarts größtem Stadtbezirk beleuchtet wurden. Nach einer Zusammenfassung jener Abende ging es am vergangenen Mittwoch in eine Diskussion mit einem hochkarätig besetzten Podium: Neben Angelika Grupp vom Cannstatter Gewerbe- und Handelsverein und Martina Buschle von der örtlichen SPD konnten Stuttgarts Baubürgermeister Peter Pätzold (Grüne), sein Pendant aus Schwäbisch Gmünd, Julius Mihm, und Martina Baum, Professorin am Städtebauinstitut der Universität Stuttgart, gewonnen worden. Gerd Hansen, der Vorsitzende des Stadtplanungsforums Stuttgart, moderierte die Diskussion.

Ein Blick von außen sei manchmal sehr nützlich, sagte Bürgermeister Peter Pätzold in der Diskussion. „Manchmal jammern wir schon auf sehr hohem Niveau“, meinte er. Für die Bad Cannstatter und alle Stuttgarter sei es etwa völlig normal, in Mineralwasser zu baden, doch das sei keinesfalls selbstverständlich, sondern etwas Besonderes, auf das man stolz sein könne. Ebenso sei die Lage am Fluss ein Pfund. 15 Millionen Euro will die Stadt nun investieren, um „diesen Schatz zu heben“, sagte Pätzold. Wie Bad Cannstatt hätten viele Stuttgarter Stadtbezirke und -teile besonderen Flair. Der Vorwurf, die Stadt sei so kleinteilig, sei doch eigentlich etwas Gutes.

Viele Parallelen zu Schwäbisch Gmünd

Den erwähnten Blick von außen hat Julius Mihm auf Bad Cannstatt. Und er entdecke viele Parallelen zu Schwäbisch Gmünd, sagte der Baubürgermeister der Kleinstadt. Nicht nur die Größe sei ähnlich. Schwäbisch Gmünd habe gegenüber Aalen den Kürzeren gezogen und ist nicht Kreisstadt geworden. Die Gmünder konnten sich seither nie als Teil des Ostalbkreises identifizieren, die Ostälbler seien nie nach Gmünd gekommen. Das erinnere an das Verhältnis zwischen Cannstatt und Stuttgart. Zudem hätten die Gmünder selbst in Umfragen gesagt, die Stadt sei unattraktiv, da nichts los sei. Mit der Verlegung der Hauptverkehrsader der Stadt unter die Erde habe sich vieles verändert, vor allem sei der Fluss erlebbar. Die Bürger sind stolz, und „die Ostälbler kommen nach Schwäbisch Gmünd“.

Ein solch großer Aufschlag sei nicht überall möglich, doch in Cannstatt müsse sich in Sachen Verkehr auf jeden Fall etwas ändern, sagte Mihm. Es würde schon helfen, die Straßen optisch umzugestalten, damit sich Autofahrer, Radler und Fußgänger wohlfühlen. „Klein klein“ sei keine Lösung, findet Martina Baum von der Uni Stuttgart. Die stark befahrenen Straßen zwischen an sich „tollen Orten“ seien das Problem. „Wir müssen die Straßen zurückerobern. So lange eine Stadtautobahn am Neckar verläuft, können wir am Ufer machen, was wir wollen“, ist Baum überzeugt.

Andere geben für diese Leistung viel Geld aus

Wenn erste Projekte einmal umgesetzt seien und Cannstatt damit und mit dem, was es bereits hat, selbstbewusst werbe, würden die Stuttgarter über den Neckar und Besucher aus der Region kommen, auch wenn nicht gerade Volksfest ist, darüber waren sich die Beteiligten einig.

Am sonst hochgelobten Zukunft-Projekt wurde letztlich nur die Kritik laut, dass auch ausländische Mitbürger besser einbezogen werden müssten. Ansonsten, „sind die Bürger in eine wahnsinnige Vorleistung gegangen“, resümierte Martina Baum. Andere Städte würden für solche Findungsprozesse viel Geld ausgeben. Nun müssten allerdings Fachleute ran, riet sie. Und wenn dann Selbstbewusstsein und Kommunikation stimmen, „ist die Politik gefragt“.