Ende 2017 läuft der Vertrag der Direktorin der Staatsgalerie Stuttgart aus: Christiane Lange hat in den letzten vier Jahren viel bewegt. Allzu aufgeschlossen für Neues ist die Museumschefin allerdings nicht.

Kultur: Adrienne Braun (adr)

Stuttgart - Als Christiane Lange vor vier Jahren die Leitung der Staatsgalerie Stuttgart übernahm, atmete manch einer erleichtert auf. Ihr Vorgänger Sean Rainbird hatte es langsam angehen lassen und gewährte sich erst einmal ein Jahr Zeit, um das Haus kennenzulernen. Christiane Lange krempelte dagegen sofort die Ärmel hoch. In wenigen Monaten wurde die komplette Sammlung neu gehängt. Lange schloss den Eingang in der Alten Staatsgalerie, verlegte den Museumsshop ins grüne Foyer und gestaltete den Weg durch die Sammlung schlüssiger. Auch die Beleuchtung wurde optimiert, ganz abgesehen von den verschiedensten Sanierungsmaßnahmen, die das Museum bis heute wie nebenbei wegstecken muss. Inzwischen gibt es auch ein neues grafisches Erscheinungsbild. Und selbst wenn sie noch nicht perfekt läuft, ging vor einigen Wochen auch eine neue Homepage online.

 

In ihren vier Jahren hat Christiane Lange also viel bewegt. Wenn es nach dem Ministerium für Wissenschaft und Kunst geht, soll sie das auch weiterhin tun. Ende des Jahres läuft der Fünf-Jahres-Vertrag aus, weshalb derzeit die Gespräche über eine Vertragsverlängerung laufen. Beschlossen ist noch nichts, aber weil der Vertrag zur Prüfung bereits im Finanzministerium liegt, scheinen die Zeichen auf Kontinuität zu stehen.

Als man Christiane Lange, die zuvor die Hypo-Kulturstiftung München leitete, nach Stuttgart holte, war das mit dem Wunsch verbunden, die Staatsgalerie wieder zu einem Flaggschiff in der Region zu machen. Die Sammlung solle neues Gewicht erhalten, wünschte sich der damalige Staatssekretär Jürgen Walter – und Lange versprach, „Experimente“ mit der Sammlung vorzunehmen.

Die Staatsgalerie hat eine bundesweite Debatte zur Zukunft der Museen angestoßen

Christiane Lange ist es durchaus geglückt, die Staatsgalerie Stuttgart auch überregional wieder ins Zentrum der Aufmerksamkeit zu rücken, etwa mit den erfolgreichen Sonderausstellungen zu Oskar Schlemmer oder Francis Bacon. Zwar wurde nicht Lange, sondern Ulrike Groos, die Chefin des Kunstmuseums Stuttgart, in die namhafte Kommission berufen, die für den Bund Kunst ankauft. Lange hat dafür aber eine bundesweite Debatte über die Zukunft der Museen angestoßen. Das Symposium „Grenzen des Wachstums“ in der Staatsgalerie kam genau zum richtigen Zeitpunkt und stieß auf viel Resonanz, allerdings verspielte sich Christiane Lange dabei auch viele Sympathien. Sie schlug, verkürzt gesagt, vor, kleinere Museen zu schließen und das Geld stattdessen in die großen Häuser zu stecken. Für die große Museumsvielfalt, so Lange, fehle das Publikum.

Dass das so nicht ganz zu stimmen scheint, kann man zum Beispiel in Frankfurt sehen, an dessen Museumsufer sich mehrere große Institutionen Konkurrenz machen. Trotzdem geht es im Städel-Museum oft zu wie im Taubenschlag, alle Generationen besuchen die verschiedenen Abteilungen. In der Staatsgalerie Stuttgart trifft man in der Sammlung dagegen oft nur eine Handvoll Besucher, selbst am Wochenende oder am langen Donnerstag sind es oft nicht mehr.

Daran mag auch die aktuelle Baustellen-Situationschuld sein. Dass die Staatsgalerie aber alles andere als ein lebendiges Museum ist, liegt letztlich am Konzept. Selbst wenn die Entscheidung plausibel war: Sich von der Langen Nacht der Museen zu verabschieden, war auch ein Signal. Denn Christiane Lange will die Popularisierung des Museums verhindern. Ihr Programm ist konservativ, was sich besonders deutlich an der Neuhängung der Sammlung zeigt. Während Sean Rainbird bewusst Werke verschiedener Epochen einander gegenüberstellte und damit einen Dialog anregen wollte, arbeitet der aktuelle Rundgang wieder klassisch schulbuchmäßig die Kunstepochen ab.

Museum präsentiert sich hier als Autorität

Edel und prächtig sind die Werke nun inszeniert und damit quasi auf den Altar gestellt. „In neuem Glanz“ nannte sich die Neuhängung denn auch, womit die Vorstellung vom Museum als hehrem Musentempel verbunden ist. Die Kultivierung von Kunst, die Bezeichnungen „Meisterwerke“ und „Schätze“ spiegeln allerdings einen Geist, den moderne, aufgeschlossene Museen gerade nicht mehr transportieren wollen. Ihr Ziel ist es vielmehr, dem Publikum auf Augenhöhe zu begegnen. Auseinandersetzung statt Anbetung, Dialog statt Deutungshoheit.

Man sei eben der Wissenschaft verpflichtet, wird gern erwidert. Während die moderne Wissenschaft aber ihre eigene Methodik reflektiert, werden in den Ausstellungen der Staatsgalerie Entscheidungen nicht transparent gemacht. Es finden sich auch keine Hinweise, dass Wertzuschreibungen und kuratorische Setzungen keineswegs gottgegeben sind. Allen aktuellen Debatten zum Trotz präsentiert sich das Museum hier weiterhin als Autorität, die nicht hinterfragt werden will.

Die Hängung der Sammlung ist auch ein politisches Statement

Somit ist die Hängung der Sammlung keineswegs nur eine kunsthistorische Entscheidung, sondern auch ein politisches Statement. Hier wird Kunstgeschichte akademisch gelehrt, übrigens auch auf Kosten des intimen Dialogs, der individuellen Befragung der Kunst und letztlich auch des sinnlichen Vergnügens. Denn lustvoll ist diese Hängung nicht, sie mag vermitteln, welches Bild in welcher Epoche in welchem Stil entstanden ist, aber nicht, dass Kunst auch für ein Individuum ein anregendes, emotionales Erlebnis sein kann. Dazu passt, dass Werke oft symmetrisch gehängt wurden und nach Pilastern, Türen oder Lüftungsklappen ausgerichtet sind.

So mögen die großen Sonderausstellungen gut laufen, insgesamt könnte die Staatsgalerie aber deutlich besser in der Stadt verankert sein, woran auch das Vermittlungsprogramm, das vor allem auf tradierte Formate setzt, nicht ganz unschuldig ist: Kunstgespräch für Frauen, Staatsgalerie after work, Bildbetrachtung. Zumindest öffnet sich das Haus jetzt für Menschen mit Demenz.

Die Entfernung der Stühle für die Aufsichten sorgte für Unmut

Auch intern scheint das Klima nicht das beste zu sein. So fröhlich lachend man die sympathische Direktorin häufig erlebt, im Hause weht ihr und dem Geschäftsführer Dirk Rieker ein raues Lüftchen entgegen. Dass sie die Stühle der Aufsichten entfernen ließen, weil sie Sicherheitslücken sahen, sorge für Unmut. Groll zog auch der Vorstoß nach sich, ausscheidende Aufsichten durch Fremdpersonal zu ersetzen. Es gab auch mehrere Prozesse wegen Vertragsverlängerungen. Bei früheren Direktoren der Staatsgalerie, heißt es dazu im Ministerium, habe man mehr Beschwerden über die Führungsebene erhalten.

Sollte man sich in den nächsten Wochen über eine Vertragsverlängerung einigen, muss man sich um die Staatsgalerie Stuttgart keine größeren Sorgen machen. Christiane Lange hält die Zügel straff in Händen und den Betrieb fest im Griff. Vielleicht etwas zu fest. Weniger Heiligenverehrung und mehr Lust auf aktuelle Debatten, neue Formate und moderne Museumskultur würden der Staatsgalerie mehr als gut tun. Auch wenn der Eingang der Alten Staatsgalerie wegen des Geldes geschlossen wurde, spiegelt sich letztlich auch in dieser Geste eine Haltung: Von einem offenen Museum inmitten der Stadtgesellschaft ist die Staatsgalerie weit entfernt.