63 Jahre und kein bisschen Ruhe. Der Atomausstieg und Stuttgart 21 halten den neuen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann in Atem.

Stuttgart - Das Amt des Ministerpräsidenten kennt keinen Stillstand, und so ist auch Winfried Kretschmann am Dienstag zu einem ganz normalen Arbeitstag angetreten, an dem er gleichwohl sein 63. Lebensjahr vollendete. So nüchtern muss man das sagen. Feiern wollte Kretschmann seinen Geburtstag nur im bescheidenen Rahmen - "vielleicht heute Abend noch ein bisschen". Mehr war nicht drin für den frischgebackenen Regierungschef von Baden-Württemberg.

 

Zum prallen Arbeitsprogramm gehörte auch sein erster Termin als Ministerpräsident vor der Landespressekonferenz. Normalerweise geht diesem Auftritt eine Kabinettssitzung voran. Doch die Regierung muss sich erst noch sortieren, weshalb sich Kretschmann auf eine allgemeine Fragerunde beschränkte. Aber auch da hatte er was zu sagen, wie das von einem Stuttgarter Regierungschef zu erwarten ist. Zum Beispiel zum Bericht der Reaktorsicherheitskommission über den Stresstest der Atommeiler, den Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) am selben Tag in Berlin vorstellte.

Zu Stuttgart 21 äußert sich Kretschmann zurückhaltend

Kretschmann plädierte für den "schnellstmöglichen Ausstieg" aus der Atomenergie, der allerdings unter drei Bedingungen erfolgen müsse. Erstens dürfe der Abschied von der Atomenergie, den Kretschmann für die Zeit "um das Jahr 2020 herum" erwartet, keinesfalls dazu führen, "dass wir dauerhaft von ausländischem Strom abhängig" werden. Zweitens sei darauf zu achten, dass der Ausstieg nicht zu einer "Explosion des Strompreises" führe, was er allerdings auch nicht befürchte. Drittes dürfe der Atomstrom nicht einfach durch Strom aus Kohlekraftwerken ersetzt werden. Das verlange der Klimaschutz. Kretschmann geht davon aus, dass der nach dem Atomunglück von Fukushima stillgelegte Atommeiler Philippsburg I nicht wieder ans Netz geht.

Die beiden verbleibenden Atomkraftwerke Philippsburg II und Neckarwestheim II sollten "nach und nach" abgeschaltet werden. Dass der Stromerzeuger EnBW gegen die Stilllegung klage, erwarte er nicht, sagte Kretschmann. Er verteidigte auch sein Votum für eine bundesweite Suche nach einem Atomendlager. Es gehe darum, geeignete geologische Formationen zu erkunden. "Wie so ein Endlager aussieht, darüber werden wir noch lange debattieren." Die Anlage müsse jedenfalls begehbar und jederzeit überprüfbar sein. Den Atommüll einlagern "und Deckel drauf und Schluss", das gehe nicht.

Zum Thema Stuttgart 21 äußerte sich Kretschmann zurückhaltend. Allerdings verhehlte er nicht, dass er die Äußerungen seines Verkehrsministers Winfried Hermann (Grüne), im Falle der Realisierung die Zuständigkeit für Stuttgart 21 an ein SPD-geführtes Ressort abzugeben, für nicht besonders geglückt hält. "Da hat er vielleicht ein bisschen laut nachgedacht", kommentierte er die Einlassung des Verkehrsministers. Einen Wechsel der Zuständigkeit halte er jedenfalls für "eher unwahrscheinlich". Außerdem stehe das Thema derzeit auch gar nicht an. Erneut verlangte er Einsicht in die Bedingungen, unter denen die Computersimulation für die Leistungsfähigkeit des Tiefbahnhofs erfolgt. "Wir müssen erst noch die Prämissen kennenlernen." Der Lenkungskreis der Projektträger werde sich demnächst treffen. In dem Gremium sind der Verkehrsminister Hermann vertreten sowie ein SPD-Regierungsmitglied, das noch benannt werden muss. Der Lenkungsausschuss werde sich auch mit dem Baustopp befassen, den die Regierung mit Blick auf eine mögliche Volksabstimmung über Stuttgart 21 verlangt.Am Mittwoch wird der Ministerpräsident bereits einen ersten persönlichen Stresstest als Außenpolitiker absolvieren. Er empfängt im Neuen Schloss den Präsidenten Paraguays, Fernando Armindo Lugo Méndez samt dessen Delegation.