Der Stuttgarter Architekt Arno Lederer wird siebzig.

Stuttgart - Man sieht ihm sein Alter nicht an. Der Architekt Arno Lederer, der am 3. Oktober seinen siebzigsten Geburtstag feiert, ist zwar am Habitus – viel Schwarz, viel Understatement – auf den ersten Blick als Architekt zu erkennen, aber schätzen würde man ihn glatt zehn Jahre jünger. Was daran liegen dürfte, dass der Stuttgarter weit entfernt davon ist, sich zur Ruhe zu setzen. Gerade hat er sich mit seinem Engagement in der Aufbruch-Bürgerinitiative, die sich für ein urbaneres Kulturquartier einsetzt, neue Pflichten aufgehalst - als gäbe es im Büro, das er mit seiner Frau Jórunn Ragnarsdottir und dem Partner Marc Oei (LRO) zusammen führt, nicht genug zu tun.

 

Soeben ist der Umbau des Wilhelmspalais fertiggestellt und von den Stuttgartern enthusiastisch begrüßt worden, im Frühjahr hat die sanierte Hospitalkirche, der sakrale Teil des von ihnen geplanten Hospitalhof-Ensembles, ihre Pforten geöffnet, der Neubau des Historischen Museums in Frankfurt wurde übergeben, und wer während der Preview-Woche vom Balkon des Wilhelmspalais nach Norden geblickt hat, konnte dem mächtigen Erweiterungsbau der Württembergischen Landesbibliothek beim Werden zusehen. Die freudige Nachricht, dass die ehemalige EnBW-Zentrale von LRO dem Abriss nun definitiv entgeht, überbrachte der Stuttgarter Baubürgermeister Peter Pätzold in der vergangenen Woche den Architekten bei der Verleihung der Hugo-Häring-Auszeichnung für das neue Stadtmuseum.

Arno Lederer ist, wie am Zungenschlag schnell zu merken, ein heimisches Gewächs. Geboren wurde er am 3. Oktober 1947 in Stuttgart. Auch sein Architekturstudium absolvierte er am Neckar, wechselte dann aber nach Wien und ließ sich noch mehr außerschwäbischen Wind um die Nase wehen, als er in Zürich bei Ernst Gisel anheuerte. Der Schweizer Architekt, Planer des Fellbacher Rathauses und der Sonnenbergkirche in Stuttgart, war unübersehbar eines der prägendsten Vorbilder für Lederer. Dass Architektur nicht nur transparent und leicht sein muss, wie es die Stuttgarter Schule der Nachkriegszeit propagierte, sondern auch massiv und monumental sein darf, war die vielleicht wichtigste eidgenössische Lektion, die er mit nach Hause nahm. „Drinnen ist anders als draußen“ lautet denn auch sein bis heute befolgtes Motto.

Unverwechselbare Handschrift

Das erste eigene Büro, gegründet 1979, ging nach einigen gemeinsam bestrittenen Wettbewerben 1985 in der Büro- und Lebenspartnerschaft mit der isländischen Architektin Jórunn Ragnarsdottir auf. Als dritter im Bunde stieß 1992 Marc Oei zur Bürogemeinschaft. Und in dieser Kombination haben sich die Stuttgarter bundesweit profiliert: mit Bauten in unverwechselbarer Handschrift, die dennoch nie sich selbst feiern, sondern dem zweiten, noch wichtigeren Wahlspruch der Architekten gehorchen: „Erst die Stadt, dann das Haus“. Anders gesagt, steht in der Auffassung dieses Büros ein Gebäude nicht für sich, sondern muss stets auf den städtischen Kontext reagieren und ihn bereichern, so wie es beispielsweise das Bischöfliche Ordinariat in Rottenburg, das Kunstmuseum in Ravensburg oder der Umbau des Hessischen Staatstheaters in Darmstadt tun – um nur einige wenige Bauten aus dem letzten Jahrzehnt zu nennen.

Nicht zu unterschätzen ist der Einfluss, den Arno Lederer als Hochschullehrer auf den Architektennachwuchs ausgeübt hat, zunächst als Professor an der Stuttgarter HfT, dann an der Universität Karlsruhe und schließlich, von 2005 bis 2014, an der Universität Stuttgart. Gefragt ist sein fachliches Urteil auch als Preisrichter in wichtigen nationalen Wettbewerben ebenso wie im Züricher Gestaltungsbeirat und dem Bayerischen Landesbaukunstausschuss. Von seiner Eloquenz kann sich überdies die Öffentlichkeit immer wieder überzeugen. Im Ton liebenswürdig, in der Analyse messerscharf hat er zum Beispiel gerade wieder im Wilhelmspalais in der Diskussion über die Stuttgarter Stadtentwicklung die Defizite im öffentlichen Raum benannt. Der Saal war rappelvoll und fasziniert – wie eigentlich immer, wenn Arno Lederer irgendwo spricht. Die Aufbruch-Initiative dürfte ihre Resonanz bei den Bürgern nicht zuletzt dem rhetorischen Talent dieses Stadtverstehers verdanken, von dem nicht nur sie hofft, dass er noch lange am Ball bleibt.