Er sei nun bereit sei zu kommen respektive zu gehen, singt Leonard Cohen den Lord an im Titelsong seines aktuellen Albums „You want it darker“, das erst vor sechs Wochen erschienen ist. Der große kanadische Dichter und Songwriter hat damit sein eigenes Requiem verfasst: An diesem Donnerstag ist Cohen im Alter von 82 Jahren gestorben.

Kultur: Jan Ulrich Welke (juw)

Los Angeles - Er sei er „Out of the Game“, raunt Leonard Cohen in „Leaving the Table“, er in „Treaty“ barmt er, er sei wütend und müde und enttäuscht. Niemand hätte seinen Abgesang treffender in Worte und Musik fassen können als Cohen selbst, der zur Veröffentlichung von „You want it darker“ noch quicklebendig verkündet hatte, er wolle 120 Jahre alt werden.

 

Bei aller Melancholie durchweht eine durch und durch lebensbejahende Haltung das Album. Es ist herrlich geruhsam instrumentiert, ein zartes Schlagzeug und ein sanfter, fast schon melodieführender Bass grundieren die Nummern, darüber sprenkeln ein Piano und eine elegische Gitarre ein paar Töne, dazu kammerreduzierte Streichersätze, hier und dort ein paar Gospelgesangseinlagen, alles in extrem gemessenem Tempo, das allerdings mitnichten sediert. Über allem thront Leonard Cohens tiefer und staubtrockener Grummelbass, mal im Sprechgesang die Verse deklamierend, mal über die Musik schmirgelnd, mal in Watte packend.

Eine Stimme der Sonderklasse, die dieses Album – wie schon einige seiner dreizehn Studio-Vorgänger – prägt und veredelt. Und wieder einmal strahlt Cohen jene buddhistische Kontemplation aus, die er sich spätestens in seinen Klosterjahren angeeignet hat. Seelenschwarz ist seine Lyrik, mal sepulkral gefärbt, mal von Verlustängsten kündend wie in dem wunderbaren Stück „Treaty“, in dem er einer Verflossenen hinterher weint. Alles ganz schön traurig, aber segensreicherweise alles ohne Larmoyanz vorgetragen.

Leonard Cohen selbst sah sich als Dichter

1934 in der kanadischen Provinz Quebec geboren, schlug Cohen die Musikerlaufbahn nur deshalb ein, um schnell Geld zu verdienen und sich wieder seiner Bestimmung als Dichter widmen zu können. Und er merkte schnell, dass er mit Musik größere Erfolge einheimsen konnte als mit Dichtkunst, wenngleich er seinerzeit auch im literarischen Fach bereits ein sehr beachteter Mann war. Sein Erstling „Let us compare Mythologies“, verfasst 1956, ist noch heute ein in verschiedenen künstlerischen Genres viel zitiertes Werk, der Nachfolger „Spice Box of Earth“ machte ihn bereits in Europa bekannt, wo Cohen sich anschließend auf der griechischen Insel Hydra niederlassen sollte.

1967 verpflichtete ihn der Produzent John Hammond vom Fleck weg bei seinem Sängerdebüt beim Newport Folk Festival. Da Publikum liebte den ausdrucksstarken, wortmächtigen Sangespoeten, der Cohen bis zum Schluss geblieben ist. Er hinterlässt ein großes Vermächtnis, Songs wie „Suzanne“, „So Long Marianne“ und „I’m Your Man“. Und natürlich die biblische Hymne „Hallelujah“ von 1984, die seither unzählige andere Künstler gesungen haben, unter ihnen Annie Lennox, John Cale, Willie Nelson und Jon Bon Jovi. Leonard Cohen ist gegangen – seine Musik wird bleiben.