Wolfgang Borgmann, Gründer der Wissenschaftsredaktion der Stuttgarter Zeitung, ist gestorben. Seine Ideen und Vorstellungen, wie man lebendig über Wissenschaft und Technik berichten kann, wirken bis heute nach.

Stuttgart - Verständlich geschrieben und selbstredend faktisch einwandfrei – das musste ein Wissenschaftsartikel für Wolfgang Borgmann unbedingt sein. Darauf legte er stets größten Wert, nachdem er 1986 die Wissenschaftsberichterstattung als festen Bestandteil der Stuttgarter Zeitung etabliert hatte. Ein mitentscheidender Anlass für diesen Schritt war das Reaktorunglück in Tschernobyl – und die große Unsicherheit der Tageszeitungsredaktionen, wie dieses Ereignis physikalisch und medizinisch korrekt eingeordnet und journalistisch aufgearbeitet werden konnte.

 

Auf dem Feld der Naturwissenschaften war Wolfgang Borgmann ein Außenseiter: Der gebürtige Bremer hatte nach seinem Volontariat bei den „Bremer Nachrichten“ an der Hamburger Uni Politikwissenschaften und Volkswirtschaft studiert und viel später – 1986 – an der Uni Stuttgart promoviert. Aber diese Außenseiterrolle kam seiner ausgeprägten Neigung entgegen, die Dinge als unabhängiger Beobachter von außen zu betrachten. Damit setzte er seine persönliche Tradition fort, die er zuvor auch als Außenpolitikredakteur bei der Stuttgarter Zeitung seit 1971 gepflegt hatte. Bei diesem Blick über den Tellerrand kamen ihm zudem seine Auslandserfahrungen zugute: Nach dem Studium erhielt er 1969 ein Stipendium an der London School of Economics und arbeitete anschließend als Reporter bei der „Bedford County Press“ im englischen Bedford. Und 1982 ging es für ein Studienjahr nach Kalifornien an die renommierte Stanford-Universität. Dort sammelte er in der Technologieschmiede Silicon Valley wertvolle Erfahrungen, die ihm beim Aufbau der Wissenschaftsredaktion zugute kamen.

Über Ressortgrenzen hinaus

Wissenschaft, Medizin, Technik, Umwelt: Für Borgmanns Verständnis von Wissenschaftsjournalismus in einer Tageszeitung sollte sich dabei die Berichterstattung nicht auf eine Wissenschaftsseite beschränken, sondern sich im gesamten Blatt in kompetenter Weise wiederfinden – in einem Leitartikel ebenso wie in einem Erklärstück. Dies war auch sein Credo, als er am Institut für Journalistik der Uni Dortmund dazu beitrug, den Studiengang „Wissenschaftsjournalismus“ zu etablieren – und zu Beginn für ein Semester die entsprechende Professur übernahm.

Als neugieriger, nachfragender, nicht locker lassender und analytisch denkender Journalist war er in der Wissenschaftsredaktion genau richtig. Wichtig waren ihm dabei stets aber auch die Menschen, die hinter neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen steckten: ihre Einstellungen, ihre Motive, ihr Engagement – wobei er von den Forschern erkennbar als kompetenter Medienpartner gesehen wurde. Das galt auch in den Redaktionsräumen: Wolfgang Borgmann war ein Mensch, der zuhören konnte, die richtigen Fragen stellte und scharfsinnige Schlüsse zog. Mit ihm konnte man immer darüber reden, wie sich eine Geschichte verbessern ließ – auch wenn dies gelegentlich zu langen Diskussionen führte. Dabei blieb „bob“ grundsätzlich höflich, manchmal auch gewollt norddeutsch kühl. Das änderte allerdings nichts daran, dass er seinem Team stets eine menschliche Wärme vermittelte, die heute im Zeitungsalltag selten geworden ist. Und seine Ideen und Vorstellungen, wie man lebendig über Wissenschaft und Technik berichten kann, wirken bis heute nach.

Leben als Geschenk

Ausbremsen ließ sich Wolfgang Borgmann auch nicht durch sein chronisches Leiden: Seit Ende der 1970er Jahre konnte er nur dank der sich damals etablierenden Nierenwäsche überleben. Später lebte er zwanzig Jahre lang mit einer transplantierten Niere – dann musste er wieder zur Dialyse zurückkehren. Dies aber hielt er nicht für ein Joch, sondern für ein Privileg, das sich viele Patienten mit anderen chronischen Leiden wünschen würden.

Er schrieb: „Es kann so viel Lebensqualität bieten, dass viele damit Jahre, etliche einige Jahrzehnte damit leben können. Jahre, in denen sie dieses Leben als Geschenk empfinden können.“ Dieses „geschenkte“ Leben ist nun nach 75 Jahren zu Ende gegangen.