Merklingen kämpft mit vielen Partnern für einen Regionalzug-Halt. Doch es gibt auch Gegenkräfte. Und ein Problem: der 2000-Einwohner-Ort besitzt gar keinen Bahnhof mehr.

Politik/Baden-Württemberg: Rüdiger Bäßler (rub)

Stuttgart - Der Vorstoß komme reichlich spät, sagte der grüne Verkehrsminister Winfried Hermann dem Ulmer Landrat Heinz Seiffert (CDU) und den Bürgermeistern von der Laichinger Alb. Er werfe technische Probleme sowie gewichtige Kostenfragen auf. Dennoch wolle er einen zusätzlichen Bahnhalt in Merklingen „wohlwollend prüfen“, so der Minister Das war im November 2013.

 

Die Idee, Merklingen und damit eine ganze Albregion an die neuen ICE-Gleise zwischen Wendlingen und Ulm anzuschließen, ist noch einiges älter. Bereits 2005 wurde im Planfeststellungsverfahren für die S21-Neubaustrecke der Wunsch nach einem Merklinger Bahnhalt formuliert. Eine mögliche Realisierung ist im Planfeststellungsbeschluss 2008 festgehalten worden. Es geht wohlgemerkt nicht um einen neuen ICE-Halt, sondern eine Anbindung an den Takt des Interregioexpress (IRE), der den Bodensee schneller mit Stuttgart verbinden wird.

Der Merklinger Rathauschef wird von seinen Kollegen unterstützt

Der Merklinger Bürgermeister Sven Kneipp spricht von einem „Quantensprung“ für die Region, sollte der zusätzliche Bahnstopp nahe der Autobahn 8 wirklich kommen. Umgekehrt: Sollten die Pläne fehlschlagen, werde die Laichinger Alb die einzige Region sein, die zwar Äcker an die Neubaustrecke verloren und die Lasten des Baubetriebs erduldet habe, jedoch nicht vom neuen Verkehrsnetz profitiere. Der Merklinger Rathauschef wird von seinen Kollegen in Nellingen, Laichingen, Heroldstatt und Berghülen unterstützt.

Ein Hindernis ist der Umstand, dass der 2000-Einwohner-Ort Merklingen seit einem Vierteljahrhundert gar keinen Bahnhof mehr besitzt. Nach einer vorläufigen Schätzung würde der Bau von Bahnsteiganlagen und zweier zusätzlicher Bahnhofsgleise rund 22 Millionen Euro kosten. Damit außerdem der Umlauf der IRE-Garnitur Stuttgart-Filder-Ulm eingehalten werden könnte, müssten zwei bis vier Fahrminuten gewonnen werden.

Die kleinen Albgemeinden können die Summe nicht stemmen

Das ginge nur, indem die IRE-Züge deutlich schneller führen als die geplante Geschwindigkeit von 160 Kilometer pro Stunde, nämlich bis zu 200 km/h. Die Wagen dafür umzurüsten, würde nach groben Planungen bis zu 45 Millionen Euro kosten. Womöglich würde das Land die Hälfte dieser Investitionen übernehmen, keinesfalls aber die Planungskosten von knapp fünf Millionen Euro.

Das alles sind Summen, die von den kleinen Albgemeinden nicht gestemmt werden können. Seit Monaten bemüht sich Merklingen zusammen mit den Nachbarn deshalb um die Bildung einer großen Allianz. Partner haben sich vor allem in Richtung Ulm gefunden. Neben dem Alb-Donau-Kreis ist das beispielsweise die Ulmer Industrie- und Handelskammer. Alle Partner zusammen haben bei der Karlsruher Planungsbürogemeinschaft Obermeyer und Ramboll eine rund 200 000 Euro teure Machbarkeitsstudie für den Merklinger Bahnhof in Auftrag gegeben. Ende Mai soll das Ergebnis vorliegen.

In Stuttgart fanden die Merklinger Initiatoren Sympathien

Ermutigung finden die Bahnhofsbefürworter in einer Potenzialstudie, die bereits vom Münchner Büro Intraplan vorgelegt wurde. Danach könnten täglich rund 850 Menschen von Merklingen aus in beide Fahrtrichtungen pendeln. Die begleitenden positiven Folgen: weniger Verkehrsaufkommen auf der Autobahn 8 in den Hauptverkehrszeiten und eine Parkentlastung am Flughafen Stuttgart.

In Stuttgart fanden die Merklinger Initiatoren also Sympathien für ihre Idee, auf der Strecke dorthin sitzen jedoch einflussreiche Kritiker. Unter ihnen ist der Geislinger SPD-Landtagsabgeordnete Sascha Binder. Gegenüber mehreren Zeitungen warnte Binder Ende Februar, ein Merklinger Bahnhalt könne dem interkommunalen Gewerbepark „Schwäbische Alb“ bei Türkheim das Wasser abgraben; Merklingen und Laichingen verschafften sich einen erheblichen Standortvorteil. Eine solche Entwicklung könne er nicht befürworten. Auch die Geislinger CDU-Landtagsabgeordnete Nicole Razavi, Verkehrssprecherin der Landtagsfraktion, äußerte Kritik. Die CDU werde nicht akzeptieren, „dass Verbindungen im Nahverkehr aus dem Filstal auf die Neubaustrecke verlagert werden“. Dass der Minister Hermann eine Mitfinanzierung des Landes beim Merklinger Bahnhalt ins Spiel bringe, sei „nicht seriös“. Schon bisher fehlten dem Land für die Zugbestellung rund 100 Millionen Euro.

Die Geislinger Abgeordneten sprechen wiederum nicht für den gesamten Kreis Göppingen, zumal sich die Gemeinden Drackenstein und Hohenstadt bereits auf die Merklinger Seite geschlagen haben. Anfang des Monats hatte der Göppinger Kreistag den Bahnhalt Merklingen unter der Fragestellung debattiert, wie dieser sich auf die „Verkehrsnachfrage im Landkreis“ auswirken werde.

Die Haltung der Kreisverwaltung lässt alles offen. Das Merklinger Vorhaben solle „im Grundsatz unterstützt“ und „mit Interesse verfolgt“ werden, steht in einem Bewertungspapier. Von einer finanziellen Beteiligung ist jedoch nicht die Rede.