Vor dem Staatsbesuch des ägyptischen Staatspräsidenten al-Sisi wächst die Kritik in Deutschland an der Sicherheitszusammenarbeit mit Kairo.

Berlin - Eine Woche vor dem Staatsbesuch von Präsident Abdel Fattah al-Sisi in Berlin wächst die Kritik an der Zusammenarbeit von deutschen und ägyptischen Sicherheitsdiensten, die die Bundesregierung trotz schwerer Menschenrechtsverstöße und haarsträubender Polizeiwillkür am Nil ausbauen will. Vertreter der Opposition von den Linken und Grünen kritisierten die Pläne als ein falsches Signal in der jetzigen Situation.

 

Es gebe von Seiten des ägyptischen Regimes keinen echten Willen, den Polizeiapparat zu reformieren, argumentierte die grüne Bundestagsabgeordnete Franziska Brantner bei ihrem Besuch in Kairo. Stattdessen befinde sich die Polizei auf einem Rachefeldzug gegen Andersdenkende. Der Abgeordnete der Linken, Andrej Hunko, forderte, „die geplanten Kooperationen deutscher Polizeibehörden und Geheimdienste zu annullieren“.

Ägyptische Polizei gilt als korrupt und brutal

In seiner Antwort auf eine kleine Anfrage von Hunko hatte das Bundesinnenministerium eingeräumt, dass in der vergangenen Woche ein „Expertenaustausch auf Fachebene zum Thema Terrorismus- / Extremismusbekämpfung“ stattfand, zu dem vier Vertreter der ägyptischen Staatssicherheit (NSS) und des Geheimdienstes (GIS) eingeladen waren. Auf deutscher Seite saßen Beamte des Bundeskriminalamtes, des Staatsschutzes, des Verfassungsschutzes und des Bundesnachrichtendienstes am Tisch.

Die ägyptische Polizei gilt als brutal, korrupt und unfähig. Haft, Folter und Morde an Oppositionellen in den Geheimverliesen der Staatssicherheit, die damals noch SSI hieß, zählten 2011 zu den Hauptgründen für den Arabischen Frühling. Nach dem Sturz von Mohamed Mursi durch die Armee Mitte 2013 wurden die im Verborgenen operierenden Schnüffler und Prügler, deren Zahl auf 100 000 geschätzt wird, durch Ex-Feldmarschall Sisi unter neuem Namen voll rehabilitiert.

Rabiat zu Opposition und Fußballfans

Obwohl das Innenministerium in Berlin in seiner Antwort zugibt, dass der „umfassende Terrorismusbegriff“ der ägyptischen Regierung „unverhältnismäßig“ sei und „von den Sicherheitsbehörden als auch der Justiz immer wieder auch im Kontext von Demonstrationen gebraucht“ werde, sind im Laufe des Jahres mindestens sechs weitere Konferenzen mit Geheimdienstlern und Polizisten aus Ägypten geplant. Gleichzeitig sollen die wegen der Repression am Nil auf Eis gelegten Vertragsgespräche über eine Polizeikooperation wieder aufgenommen werden. Und so werden bereits am Samstag beim DFB-Pokalfinale Mitglieder der berüchtigten NSS-Staatssicherheit im Berliner Olympiastadion „bei der Absicherung von einem Fußballspiel“ hospitieren.

Daheim in Ägypten springt das Regime mit Fußballfans inzwischen genauso rabiat um wie mit der politischen Opposition, Menschenrechtsgruppen, kritischen Studenten und der demokratischen Jugendbewegung. Mitte Mai verbot ein Kairoer Gericht alle Fan-Clubs der so genannten Ultras als Terrororganisationen. Seit dem Massaker im Stadion von Port Said vor drei Jahren mit 74 Toten und mehr als 500 Verletzten spielt die ägyptische Erstliga ihre Meisterschaft vor leeren Rängen. Im Februar ließen die Behörden für ein Heimspiel des Zamalek-Clubs in Kairo erstmals wieder 10 000 Fans auf den Tribünen zu. 22 Ultras starben vor den Stadiontoren, als die Polizei mit Tränengas in die Menge schoss und eine Massenpanik auslöste.